Der Untergang wird abgesagt

Matthias Horx gibt Lebenshilfe und bekämpft das Gift der Weltverachtung. von uli krug
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Der neue Horx fiele auf den Grabbeltischen am Eingang moderner Buchshops zwischen Titeln wie »Schlank mit Schokolade!« oder »Glücklich werden in zehn einfachen Schritten« gar nicht weiter auf. »Anleitung zum Zukunftsoptimismus« heißt das Werk, das in der Nachbarschaft von Wellnessliteratur durchaus zielgruppen­gerecht platziert wäre. Auf dem Buchrücken gibt es dazu noch dick aufgetragene Marktschreierprosa und Erweckungsversprechungen: »Dieses Buch rüttelt auf!« und »Dieses Buch zeigt, wie wir den grassierenden Pessimismus überwinden können«, der »unsere Gesellschaft lähmt und echten Wandel verhindert«.

Ganz offensichtlich geht es für den ehemaligen Redakteur des verblichenen Frankfurter Szene-Organs Pflasterstrand nicht eine Nummer kleiner. Horx, der in den Achtzigern als Alternativen-Selbst­geißler bekannt geworden war, verstand dabei von jeher den Verzicht auf die Utopie als Einladung zur Beliebigkeit der Urteile; so reüssierte er als »Trendforscher«, Unternehmensberater, Dozent und Inhaber eines »Zukunftsinstituts«.

Bei seinem neuesten Werk täuscht jedenfalls der äußere Eindruck von typischer Erbauungsliteratur nicht. Horx schlägt in seiner abschließenden Anleitung, wie man denn nun der allenthalben lähmen­den Depression entkommen könne, haargenau den Predigerton an, den er bei Gesinnungsökologen und Untergangspropheten zu Recht kritisiert hat: »Wer seine Segnungen nicht annehmen kann, der verkrüppelt seine innere Gestalt. In dieser schwärenden Lücke der Defizite wuchern die Apokalypsen, die Verschwörungstheorien, mehrt sich das Gift der Weltverachtung. Der apokalyptische Pessimismus wurzelt immer in einer Depression. Wer von dieser Depression erlöst ist, weiß: Jeder von uns ist ein Geschenk. Jeder von uns trägt ein Geheimnis, das es zu erfahren und zu entwickeln gilt.«

Von den idiotischen, pseudoreli­giösen Managementschulungen nach dem Motto »think positive, dann schaffst du es«, distanziert sich Horx aber wenigstens noch, indem er zumindest die Möglichkeit des Scheiterns an objektiven Schwierigkeiten einräumt: »›Gutgehen‹ ist ein Resultat von Engagement und Anspannung, von Vertrauen und Handlung und oft genug von Zufall und Glück. Vieles geht, wenn man fleißig übt, sich vorbereitet, kämpft und glaubt. Und Mut hat. Vieles. Nie alles.«

Nur der Untertitel des Buchs lässt ahnen, dass der Anlass zu diesem Sammelsurium großer Gesten und leerer Sprechblasen eigentlich zu einem ganz lesenswerten Buch hätte führen können. Das »Pam­phlet gegen Untergangs-Ideologen, Panikpublizisten, Apokalypsespießer und andere Angst­gewinn­ler« weist tatsächlich immer wieder hübsche Passagen auf. Wie die, in der Horx beschreibt, auf welche Weise die Entdeckung des Alarmismus und der Endzeit­ökologie die Jugendbewegung in den Siebzigern zu ungeahnten politischen Erfolgen führte, aber um den Preis, dass sie mit der ökologischen Wende genauso wurde, wie die Spießer es von jeher waren: pessimistisch, neidvoll, genussabgewandt, übellaunig und straffreudig – oder anders gesagt: mit Vernichtung und Untergang auf Du und Du.

Aber diese vielversprechende Fährte zu den Quellen der german angst nimmt Horx nur kurz und nebenbei auf: »Deutschland ›verpasste‹ im 19. Jahrhundert die bürgerliche Revolution, und deshalb zogen sich seine Dichter und Denker metaphorisch ›in die Wälder‹ zurück. Zivili­sationsfeindlichkeit entstand (…), weil die idea­listischen Energien sich auf die Innenräume des Seelischen konzentrierten.« Damit belässt er es und verortet die Neigung zum Alarmismus und zur Angstlust viel lieber in den Sphären der Evo­lutionsbiologie und Kulturanthropologie – im Falle Deutschlands mit der Erörterung der Frage, inwiefern die »waldreiche Topografie Zentraleuropas« einfach aufs Gemüt schlagen musste.

Auch was die Einzelkritik der »Skripte der Zukunftsangst« und »Märchen des Alarmismus« betrifft, kommt Horx leider viel zu selten über Gemeinplätze hinaus. Er baut sich nämlich Popanze auf, die vielleicht das treffen, was Apokalypsespießer fühlen – aber höchstens dann sagen würden, wenn sie sich unter ihresgleichen wähnen und obendrein sehr schlicht gestrickt sind. Deshalb bestehen dann Horx’ Widerlegungen im besseren Falle aus kaum von der Hand zu weisenden Evidenzen oder im schlechteren aus Banalitäten, die selber schon fast so peinlich sind wie die Weltuntergangsszenarien in Öko-Bestsellern oder die alternativen Wirtschafts­konzepte in Attac-Papieren.

Gegen die grassierenden Angstmythen über die Auswirkungen der Globalisierung hilft es beispielsweise wenig, wenn man auf die großen Menschheits­fortschritte verweist, die Jahrtausende von Migration und Verkehr hervorgebracht haben, oder Reise­beschreibungen aus Bangladesh liefert, die es als »chaotisch, korrupt, elend« – und im selben Atemzug als »ungeheuer vitales Land« feiern. Banalen, aber durchaus vertretbaren Thesen wie denen, dass Handelshemmnisse Armut fördern und Nordkoreas Elend die klare Konsequenz einer Abschottung vom Weltmarkt ist, wiederum gesellt sich ein solch schau­derhaftes Statement bei: »Armut ist eine anthropologische Konstante.«

Beim Thema Prekarisierung kritisiert Horx zunächst aus gutem Grund, dass die jugendlichen Demonstranten auf den Champs Elysées heute statt der Revolution den Beamtenstatus fordern und widerlegt das Gerücht, dass jedermann in den USA einen Zweitjob zum Überleben bräuchte. Dann ver­fällt er aber sogleich in den verlogen-idyllisierenden Jargon der postmodernen Sozio­logie: »Lernen und Arbeiten konvergieren. Eben weil Arbeit so wissenszentriert wird, werden Erfahrung, Leidenschaft, auch Spaß an der Arbeit zu unmittelbaren Produktivfaktoren.«

Und muss man eigentlich eine an sich recht gelungene Widerlegung des »Märchens von der wachsenden Gewalt« in New York mit einer Biologisierung des islamischen Terrors und der gegen ihn gerichteten Maßnahmen verquicken? Horx schreibt: »Die Auseinandersetzung zwischen Terror und Zivilisation ist nichts anderes als ei­ne Co-Evolution, die den Pfaden von Selektion-Differenzierung-Adaption folgt.« Somit sei dieser Konflikt »nichts als das Leben selbst, das sich ständig neu bewährt und dabei weiterentwickelt, auch wenn einzelne Individuen und Organismen bisweilen dabei sterben«.

Diese stramme Tendenz zur »Soziobiologie« als Generalschlüssel der Erklärung gibt auch ansonsten verdienstvollen Attacken auf die Homöopathie oder die neue Sittsamkeit einen überaus schalen Bei­geschmack. Nur bei der Sezierung der »Klimakatastrophe« und des »Artensterbens« kommt die Evolutionsbiologie einigermaßen sinnvoll zum Ein­satz. Doch das ändert nichts an dem eklektizistischen, selbstverliebten und alle billigen rhetorischen Mittel ausreizenden Charakter des Buchs, mit dem Horx beweist, dass Kritik an Esoterik selber wie Esoterik daherkommen kann – ein Beweis, der vollkommen verzichtbar gewesen wäre.

Matthias Horx: Anleitung zum Zukunftsoptimismus. Warum die Welt nicht schlechter wird. Frankfurt/M., Campus, 310 S., 24,80 Euro