Des Teufels Werk und Rydzyks Beitrag

Der antisemitische Pater Rydzyk attackiert nun auch die Regierung. Dennoch will ­Polens Ministerpräsident Kaczynski nicht mit ihm brechen. von oliver hinz

Der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski ist normalerweise schnell beleidigt und extrem jähzornig. Besonders gerne geht er auf die Medien im In- und Ausland los. Doch es gibt eine Ausnahme: Mit niemanden geht Jaroslaw Kaczynski so milde und verständnisvoll um wie mit Pater Tadeusz Rydzyk, dem Direktor des Kirchensenders Radio Maryja. Obwohl Rydzyk das Präsidentenehepaar, den Bruder und die Schwägerin des Ministerpräsidenten, wüst beschimpft hatte.

Der Regierungschef stellt Rydzyks Hasstiraden als eine belanglose Lappalie dar: »Die Sache ist nicht angenehm für den Präsidenten und seine Frau. Aber trotzdem hat die Sache nichts mit Politik zu tun. Die Angelegenheit wird nur von den Medien aufgebauscht.« Außerdem behauptet Kaczynski, Rydzyk habe sich entschuldigt. Das hat der rechtsextreme Radiochef nicht getan, er hat das Präsidentenpaar in einer späteren Sendung lediglich gelobt.

Ins Rollen brachten den Skandal Studenten von Rydzyks Kaderschmiede, der Hochschule für gesellschaftliche und mediale Kultur, die wie Radio Maryja ihren Sitz in der nordpolnischen Universitätsstadt Torun hat. Im April schnitten sie eine Vorlesung des Paters mit. Es dauerte eine Weile, bis die Tonbänder beim Wochenmagazin Wprost landeten und dort nach mehrwöchiger Prüfung endlich am 9. Juli als Titelgeschichte präsentiert wurden. Seither kann sich jeder Internetnutzer anhören, wie der Kirchenmann nicht nur gegen die Staatsspitze, sondern auch gegen Juden hetzt.

»Der Präsident ist ein Betrüger, der sich der jüdischen Lobby fügt«, wütete Rydzyk. In Rage wirft der Redemptoristenpater dem Staatsoberhaupt vor, ein angeblich sündhaft teures Grundstück für das Museum für die Geschichte der polnischen Juden bereit gestellt zu haben. Antisemitische Parolen verbreitete der Mönch seit langem. Rydzyk attackierte auch die von ihm schon lange bekämpfte liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Diese huldige einer »talmudischen Ethik«, die nicht polnisch sei. Persönlich am härtesteten ging der Mönch die Präsidentengattin, Maria Kaczynska, an, die sich am Frauentag gegen ein totales Abtreibungsvervot ausgesprochen hatte: »Du Hexe! Dir zeige ich es! Wenn schon Menschen töten, dann beginn doch mit dir selbst.«

Der Skandal beschäftigte Polen um so mehr, als Rydzyk ein wichtiger Förderer der Kaczynskis ist. Kein anderes Medium warb vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2005 so sehr wie Radio Maryja für die Zwillinge, die ihren Wahlerfolg Rydzyks Unterstützung verdanken. Der Radiochef nannte die Vorwürfe eine Provokation und warf den Medien Manipulation vor: »Die Medien sind in den Händen derer, die die Kirche und Polen nicht lieben.« Sein Fazit: »Wir befinden uns in der Mitte eines Zyklons, weil wir uns beim Teufel sehr unbeliebt gemacht haben.«

Ministerpräsident Kaczynski entschied sich deshalb für ein Ablenkungsmanöver, wie Oppositionspolitiker und Kommentatoren meinen. Er entließ noch am selben Abend überraschend seinen Stellvertreter und wichtigsten Koalitionspartner Andrzej Lepper – rechtzeitig vor den Hauptnachrichtensendungen. Doch ganz los wurde er die Rydzyk-Affäre dadurch nicht.

Auch Präsident Lech Kaczynski wollte sich nicht alles gefallen lassen: »Wenn die Aussagen stimmen, heißt das, dass Pater Rydzyk zum dritten Mal das Staatsoberhaupt und seine Frau beleidigt hat.« Zum Bruch mit dem 62jährigen scheint auch Lech nicht bereit zu sein, doch er wies darauf hin, dass er noch nie ins Studio von Radio Maryja ging, in dem sein Bruder Jaroslaw und seine Minister Dauergäste sind. Frühere Regierungen ignorierten den Sender, doch seit dem Machtwechsel ist er das Sprachrohr von Kaczyn­skis Kabinett.

Angesichts drohender Neuwahlen will es sich der Ministerpräsident nicht mit Rydzyk verderben. Sein Kalkül: Nach dieser Affäre wird der Radiogründer, den weit über eine Million Hörer anhimmelt, erst recht nach seiner Pfeife tanzen. Kein anderer als Rydzyk könne in Polen so viele Menschen um sich versammeln, sagte Jaroslaw Kaczynski anerkennend am 8. Juli in Czestochowa vor gut 150 000 Pilgern, die an der 15. Wallfahrtsmesse der Familie von Radio Maryja teilnahmen.

Rydzyks Einfluss wird aber vielfach überschätzt. Zu einer Demonstrationen für ein totales Abtreibungsverbot mobilisierte er dieses Jahr in Warschau keine 10 000 Anhänger. Der Marktanteil seines Senders liegt aktuell bei zwei Prozent, der seines Fernsehsenders TV Twram, der nur über Satellit oder Kabel zu empfangen ist, gar nur bei 0,2 Prozent. Die dazugehörige rechtsextreme Tageszeitung Nasz Dziennik wird zwar inzwischen auch in den Flugzeugen der staatlichen Flug­gesellschaft Lot verteilt, kommt aber maximal auf 100 000 Exemplare.

Alle konkurrierenden Medien kritisieren Rydzyks Imperium. Auch die ansonsten regierungsnahe konservative Rzeczpospolita kommentierte: »Das politische Engagement von Pater Rydzyk schadet nicht nur der Kirche, sondern auch – und vielleicht sogar mehr – den Parteien, die seine Autorität nutzen. Der Preis für die Unterstützung von Pater Rydzyk ist nämlich so hoch, dass niemand in der Lage ist, ihn zu bezahlen.« Das einzige, was der Präsident tun könne, sei, sich um die Intervention des Vatikans zu bemühen, der den Redemptoristen zur Ordnung rufen könne.

Und tatsächlich entscheidet sich Rydzyks ­Zukunft in Rom. Der Leiter des Redemptoristenordens, der US-Amerikaner Joseph W. Tobin, will die Angelegenheit »ein für alle mal« lösen, wie er am Freitag ankündigte. Dazu hat er bei Wprost eine Kopie der Tonbänder angefordert. Nur der Orden, dem der Sender gehört, kann Rydzyk absetzen. Bislang nahm ihn die polnische Ordensleitung immer in Schutz. Der israelische Botschafter David Peleg empörte sich darüber, dass die Leiter der polnischen Redemptoristen in früheren Gesprächen den Sender als projüdisch bezeichnet hätten und die wiederholten anti­semitischen Kommentare nicht wahr haben wollten.

Den Protest gegen Rydzyk organisierten diesmal zuerst das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles und dann katholische Intellektuelle in Polen, darunter der frühere Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und der einstige Außen­minister Wladyslaw Bartoszewski. Letztgenannter sagte der Jungle World: »Am besten wäre es, wenn Pater Rydzyk keinen direkten Einfluss auf die Medien mehr hat.« Denn »wenn jemand so viel Einfluss hat, kann er hundertmal mehr Schaden anrichten als ein normaler Kirchgänger«.