Christi Raumfahrt

Nach der peinlichen Geschichte mit Galileo Galilei legte sich der Vatikan eine eigene Sternwarte zu. Statt mit den Teleskopen den auferstandenen Jesus zu suchen, entdeckten päpstliche Astronomen den Marsmenschen. von doris akrap

Der Katholizismus ist in seinem Erfindungsreichtum kaum zu übertreffen. Nicht nur sorgte er für einen frühen Science-Fiction-Roman, der von einem überirdischen Wesen handelt, das mit seiner Auferstehungsstory die moderne Teleportation vorwegnahm. Nein, der Katholizismus ist auch wesentlich dafür verantwortlich, dass der Marsmensch auf die Welt kam.

Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass Giovanni Schiaparelli, der Direktor der Mailänder Sternwarte, 1877 als Erster die canali entdeckt hätte, also jene Wasserrinnen auf dem Mars, deren angebliche Existenz für die Erforschung dieses Planeten bahnbrechende Wirkung hatte. Es war der Jesuitenpater Pietro Angelo Secchi, Chefastronom der vatikanischen Sternwarte, der bereits 1859 zu der Meinung gelangte, dass die schwarzen Flecken des Syrtis-Major-Plateaus natürliche Wasserwege enthielten, die er »Atlantik-Kanal« und »Franklin-Kanal« nannte. Secchis Marskarten waren die Grundlage für Schiaparellis Marskanäle. Ohne Secchis Marskarten wäre der amerikanische Astronom Percival Lowel 1894 niemals auf die Idee gekommen, seine Flagstaff-Sternwarte in Arizona zu bauen, um den Mars zu beobachten. Gut, ob »Atlantik-Kanal« oder canali, die Vorstellung der Marskanäle als von Marsbewohnern gebaute Anlagen, die zur Bewässerung des ausgetrockneten Planeten dienten, erwies sich 1965 zunächst als optische Täuschung. Doch 2002 wurde nachgewiesen, dass es auf dem Mars unterirdische Eisvorkommen gibt.

Freilich ging der Gründung der päpstlichen Sternwarte die Verbrennung Giordano Brunos und die Einkerkerung Galileo Galileis voraus. Beide waren von Ordensleuten ausgebildet worden, Bruno war sogar Priester. Beide begannen im Laufe ihres Lebens, an den Grundlagen des katholischen Weltbilds zu zweifeln. Nur aufgrund ihrer häretischen Hypothesen konnten die päpstlichen Sterngucker ein paar Jahrhunderte später die Grundlagen der Marsforschung legen. Heute diskutieren im päpstlichen Observatorium die berühmtesten Astrophysiker über Quantenphysik, Schwarze Löcher und Urknalltheorie.

Derselbe Vatikan, der 1870 die Unfehlbarkeit des Papstes postulierte, gründete gleichzeitig die Specola Vaticana. Der radikale Zweifel am eigenen Weltbild erhielt den päpstlichen Segen. Sowohl die Marsforschung als auch der Glaube an die Erlösung durch den antiken Captain Future sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Doch die Voraussetzung der Marsforschung ist die Voraussetzung aller Kritik, und das ist der Zweifel an den Grundlagen des eigenen Denkens.