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Arbeiten im Dschungel – ein Schreibtisch aus glattem Bambusholz, über den Redakteuren dichte grüne Palmenblätter, durch die ab und zu die Sonne glitzert, eine sanfte Brise streift über die Haut, am Glas kann man perlende Wassertropfen sehen, so kalt ist das Getränk darin. Die Baumstämme umrankt von Schlingpflanzen, der Duft von Orchideen weht durch die Luft. Ja, das ist der Dschungel, hier kann man kreativ sein, hier lässt es sich gut schreiben.

Stimmen dringen ans Ohr der Redakteurin: »Ach, Chile ist toll.« – »Ja, Südamerika ist mein Traum.« Das Telefon klingelt, gleichzeitig reißt jemand aus dem Produktionsraum die Tür auf und brüllt: »Mir fehlt noch ein Text auf der Acht!« Blinzelnd öffnet die Redakteurin die müden Augen. Aus der Traum, willkommen in der Realität. Die ist nicht grün und warm, sondern weiß und grau. Metallregale, hellgraue Bildschirme, fleckige weiße Wände, trübe Fensterscheiben, Schreibtische aus Furnier. Kurz: kein Dschungel.

Der Pflanzenwuchs in der Redaktion in der Bergmannstraße hält sich sehr in Grenzen. Ein einziger Dracaena marginata, ein so genannter gerandeter Drachenbaum aus der Familie der Mäusedorngewächse, trotzt der Phytophobie, der Pflanzenfeindlichkeit. In einem braunen Plastiktopf, in trockener Erde steht er da, unbeachtet, vernachlässigt. Auch er träumt mit Sicherheit von einem anderen Ort, ursprünglich stammt er nämlich aus Madagaskar.

Im Zuge der Anti-Raucher-Kampagne und der damit einhergehenden Neuordnung der Arbeitsplätze schafften zwei Gewächsliebhaberinnen den Drachenbaum an. Und eine weitere Pflanze. »Sie stand direkt neben dem Drachenbaum und sollte blühen, hat sie aber nicht gemacht«, erinnert sich die eine Käuferin, »na, und dann ist sie auch ganz schnell eingegangen.« Und dann fügt sie noch hinzu: »Hier ist ja eh nicht so der richtige Raum für Pflanzen, hier kommt ja gar keine Sonne rein.« Ja, Sie haben richtig gelesen: eine Zimmerpflanze, keine Sonne.

Und erst recht kein Interesse für Grünes. »Pah, Pflanzen«, raunt der Chef vom Dienst vor der Kaffeemaschine, »so lange man sie essen kann, okay, aber sonst, naja.« Die Redakteure weigern sich aber auch noch aus einem ganz anderen Grund beharrlich, den Raum mit Grünzeug zu verschönern. Die unbequeme Umgebung macht es leichter, sich abends von der Lieblingsbeschäftigung loszureißen und andere spaßigere Dinge zu tun. Zum Beispiel in einen Park gehen, sich behaglich im warmen Gras räkeln, die Augen schließen und weiter vom Dschungel träumen.