Nouvelle Droite

Nach dem Wahlsieg von Nicolas Sarkozy versucht die extreme Rechte in Frankreich, sich neu zu orientieren. Von bernhard schmid, Paris

Wie verhält man sich angesichts eines Präsidenten, der sich fast allgegenwärtig zeigt und zu allen politischen Themen etwas zu sagen hat, die Medienberichterstattung dominiert und zusätzlich noch der stärksten Oppositionspartei Personal abwirbt? Diese schwierige Aufgabe stellt sich derzeit allen Parteien in Frankreich. Nicht nur die sozialdemokratische Opposition und große Teile der Linken erscheinen zurzeit saft- und kraftlos, sowohl wegen der Gesamtsituation als auch wegen interner, hausgemachter Probleme. Auch die rechtsextreme Opposition befindet sich gegenwärtig in einer relativ unkomfortablen Lage.

Wegen ihrer finanziellen Probleme, die aus ihrem Abschneiden bei den letzten Wahlen resultieren (die staatliche Parteienfinanzierung verringert sich bei sinkendem Stimmenanteil), hat sie derzeit sogar ernsthafte Probleme, die Kommunalwahlen im kommenden März vorzubereiten. Im Juli erwogen die Partei und auch ihr Vorsitzender Jean-Marie Le Pen selbst öffentlich die Vermietung oder gar den Verkauf der Parteizentrale in Saint-Cloud bei Paris, bis seine Tochter und mögliche Nachfolgerin Marine Einspruch dagegen erhob. Die 39jährige kritisierte jene in der Partei, die sich bereits auf eine Zukunft vorbereiteten, in der »sie Tomaten züchten, statt Politik zu machen«.

Auf dem nächsten Kongress der Partei, der Mitte November in Bordeaux stattfinden soll, werden sie und ihre Anhänger möglicherweise in die Offensive gehen. Der 38jährige Generalsekretär ­Louis Aliot, der Marine Le Pen nahe steht, und diese selbst haben bereits eine gründliche Veränderung der Parteistrukturen angekündigt. Statt des bisherigen Wahlmännersystems, das bei der Besetzung von Parteigremien für eine Steuerung des Mitgliederwillens im Sinne der Führung sorgen sollte, wollen sie eine Direktwahl der Leitungsgremien durch die Mitglieder einführen. Davon erhoffen sich die »Modernisierer«, die Macht der Altkader zu brechen. Denn sie gehen davon aus, dass Marine Le Pen bei den einfachen Mitgliedern populärer ist als unter den Funktionären.

Auch die ideologischen Fundamente der Partei wollen sie überarbeiten. So soll dem Eigenleben der verschiedenen ideologischen Gruppierungen in der Partei, der Nationalrevolutionären, der katholischen Fundamentalisten, der Monarchisten oder Stiefelfaschisten, ein Ende bereitet werden. Die Parteiideologie soll in knappe Grundsätze gefasst werden. Ferner fordert Aliot, dass im Namen der Partei keine Propaganda mehr gegen die »jüdische Lobby« betrieben werde. Rassismus gegen Einwanderer soll weiterhin zum Programm gehören, aber offenen Antisemitismus betrachten die rechtsextremen Modernisierer als schädlich für das Image ihrer Partei.

Gegenüber dem Präsidenten Sarkozy muss die extreme Rechte darauf achten, dass sie nicht an Bedeutung verliert. Dabei zeichnen sich zwei unterschiedliche Strategien ab. Die rechtsextreme Wochenzeitung Minute, die traditionell eher den konservativen Teil des Spektrums des Front National repräsentiert, versucht von rechts her die Regierungspolitik zu beeinflussen. Statt einer generellen Kritik an konservativer Politik befürwortet sie eine »Öffnung nach rechts« hin zu Kräf­ten wie der reaktionären Mittelstandspartei CNI (Zentrum der Selbstständigen), für die Le Pen Ende der fünfziger Jahre vorübergehend Abgeordneter war. Diese soll das Gegenstück zum Block von Sarkozy bilden, der die »Öffnung« seiner Par­tei durch das Abwerben ehemals sozialdemokratischer Karrieristen betreibt.

Eine andere Politik verfolgt die dem Front National gehörende »nationale Wochenzeitung« Na­tional Hebdo. Sie betreibt eher eine rechtsextreme Fundamentalopposition und versucht, die so­ziale Unzufriedenheit mit der üblichen Mischung aus Sozialneid, Missgunst gegenüber Einwanderern und demagogischem Pseudo-Antikapitalismus für sich zu nutzen. So wird behauptet, Brice Hortefeux, der von Sarkozy ernannte »Minister für Einwanderung und nationale Identität«, sei bereits durch »die Bosse des CAC 40« (das ist der Aktienindex der 40 größten börsennotierten französischen Unternehmen), also »die finanzkräftigen Sponsoren Nicolas Sarkozys«, dazu ermahnt worden, »noch mehr Immigranten aufzunehmen«. Weiter heißt es: »Und er hat natürlich akzeptiert; warum sollte man einen französischen Werktätigen anständig bezahlen, wenn man sich zum selben Preis zwei Polen, fünf Rumänen oder zwanzig Malier gönnen kann?« Eine Behauptung, die nichts mit der realen Politik zu tun hat, denn die Einwanderung, von der hier gesprochen wird, ist illegalisiert, während die tatsächlich zwischen der Wirtschaft und der Regierung diskutierte Öffnung für »legale« Zuwanderung lediglich hochqualifizierte Gruppen oder so genannte Mangelberufe betrifft.

Gegenüber Präsident Sarkozy verhält sich Jean-Marie Le Pen uneindeutig. So hetzte er noch im Wahlkampf gegen das »Ausländerkind« Sarkozy, da dieser einen ungarischen Vater hat. Jüngst aber, am 7.  August, lobte Le Pen ihn in aller Öffentlichkeit und sagte, Sarkozy sei nicht so unanständig wie sein Amtsvorgänger Jacques Chirac, der den Front National immer gehasst habe; er sei »gut informiert« und »hält anscheinend einen guten Teil seiner Wahlversprechen«.

Manche der Maßnahmen der neuen Regierung, insbesondere die Ankündigung, das Streikrecht einzuschränken, werden auch in der rechtsextremen Presse begrüßt. Andererseits stellt Le Pen falsche Behauptungen auf, um gegen die Regierung und ihre »Inkonsequenz« zu agitieren. So griff er die Ankündigung Sarkozys auf, künftig den Anteil der Einwanderer, die zum Zweck einer legalen Arbeitsaufnahme einreisen dürfen, von zurzeit fünf bis sieben Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Le Pen nahm dies zum Anlass zu behaupten, Sarkozy wolle die Anzahl der Neuzuwanderer »verzehnfachen«. Das war aber gar nicht die Bedeutung von Sarkozys Worten. Dieser will vielmehr den Familiennachzug und die Einreise von Asylsuchenden beschränken, um, bei gleichbleibenden Zuwandererzahlen, eine Umschichtung zugunsten von Zuwanderern mit bestimmten gesuchten Qualifikationen vorzunehmen. Auch in naher Zukunft dürfte Le Pen wohl zwischen einer Zustimmung in der Sache und dem Bemühen um Profilierung changieren.