Sarkozy sucht Freunde

Um den französischen Einfluss zu sichern, muss Präsident Nicolas Sarkozy stärker mit anderen Staaten zusammenarbeiten. von bernhard schmid, paris

Der Club der Mächtigen soll seine Türen öffnen. Geht es nach dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, soll zunächst der UN-Sicherheits­rat erweitert werden: Deutschland, Japan, Brasilien und Indien sollen ständige Mitglieder werden. Bislang zählt der Sicherheitsrat fünf permanente und zehn wechselnde Mitglieder.

In seiner Rede vor der 15. Konferenz der französischen Botschafterinnen und Botschafter im Ausland, die am Montag der vergangenen Woche im Elysée-Palast versammelt waren, verkündete Sarkozy diesen Plan. Mit ihm greift er im Kern ein Anliegen auf, das die deutsche Politik in den neunziger Jahren vorgebracht hatte und auf das sie allmählich ihre wichtigsten EU-Partner zu ver­pflichten versuchte. Nach der Wiedervereinigung und der Wiedererlangung der vollständigen Souveränität im Jahr 1990 vertrat die deutsche Politik die Ansicht, nunmehr sei die Zeit überwunden, in der Deutschland nach den Worten des früheren CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß »ein ökonomischer Riese, aber ein politischer Zwerg« gewesen sei.

Frankreich hatte bereits, ebenso wie Großbritannien, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat inne. In der Vergangenheit waren es der Besitz der Atombombe, der in den sechziger Jahren zunächst noch auf fünf Mächte beschränkt war, und die ökonomische Stärke, die diesen Status legitimieren sollten. Nun aber erscheint diese Situation als Anachronismus. Weitere Mächte bemühen sich um den Besitz von Atombomben oder haben sie längst, wie Indien und Pakistan. Zudem hat sich die militärische Bedeutung von Nuklearwaffen in den neunziger Jahren, mit dem Ende des Kalten Krieges und des »Gleichgewichts des Schreckens«, relativiert.

Aufstrebende Staaten wie Indien und Brasilien haben unterdessen ein weit größeres Gewicht in der Weltwirtschaft erlangt. Dies hängt auch damit zusammen, dass viele arbeitsintensive Industrien und Produktionsbereiche aus den ehe­maligen Metropolen, wo dem Kapital die Lohnabhängigen zu teuer geworden sind, in Peripherie- oder Schwellenländer verlagert wurden. Doch mittlerweile haben sich die Unternehmen dieser Staaten viele Technologien angeeignet und Kapital akkumuliert, sie sind zu ernsthaften Konkurrenten des Westens geworden. Die früher dominierenden industriellen Zentren, etwa West­euro­pa, können sie daher nicht mehr als unterentwickelte Länder behandeln.

Deshalb zieht die neue französische Regierung es offenkundig vor, lieber rechtzeitig auf diese Entwicklung zu reagieren, um nicht von ihr eingeholt zu werden. Das politische Kalkül dürfte lauten: Machen wir uns rechtzeitig mit den In­teressen der aufstrebenden Mächte gemein, die sich früher oder später ohnehin durchsetzen werden, so wird unsere Nation von ihnen als wichtiger Partner ernst genommen werden. Dies gilt für das Verhältnis zu den aufstrebenden Staaten wie Brasilien und Indien, aber auch für die Beziehungen zu jenen traditionellen Industrieländern, die nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahrzehnte lang eine bescheidenere politische Rolle spielen mussten: Deutschland und Japan.

Aus ähnlichen Motiven kündigte Nicolas Sarkozy beim gleichen Anlass an, sich auch für eine Überarbeitung der Strukturen der G8, der Gruppe der reichsten Industrienationen und Russlands, einzusetzen. Die französischen Medien fassten die Rede des Präsidenten im Nachhinein so zusammen, als wünsche er eine Erweiterung auf eine G13, eine Gruppe von 13 Staaten. Der Vorschlag beinhaltet jedoch keine so bedeutende Umwälzung, wie es zunächst schien. Denn Nicolas Sarkozy entwarf in seiner Rede lediglich die Perspektive, man könne künftig den bereits bisher bestehenden Konsultationsmechanismen bei den G8-Gipfeltreffen, bei deren Beratungen Staaten wie Südafrika, Indien oder Brasilien regelmäßig assoziiert werden, einen festen institu­tionellen Charakter verleihen.

Er regte etwa an, bei künftigen G8-Gipfeln ­solle jeweils ein voller Tag für die Abstimmung mit China, Indien, Brasilien, Mexiko und Süd­afrika reserviert werden. Eine Teilung der wirtschaftlichen und politischen Macht, welche die reichsten Nationen bisher auf sich konzentrierten, steht damit noch keineswegs auf dem Programm.

Obwohl Sarkozy in der Innenpolitik seines Landes auch mit nationalistischen Reflexen der Wählerschaft spielt, macht er sich auf internationaler Ebene zugleich für ein gewisses Maß an Multilateralität stark. Das ist getragen von der Erkennt­nis, dass Frankreich zu einer eigenständigen welt­weiten Großmachtpolitik, die der frühere Status als Kolonialmacht erlaubt hat, immer weniger in der Lage ist.

Aus diesem Grund hat Sarkozy auch die Versuche aufgegeben, in der Weltpolitik jene Distanz gegenüber den USA zu wahren, die Charles de Gaulle noch ernsthaft, Jacques Chirac dagegen eher symbolisch verfochten hatte. Frankreich hofft, seine Stellung namentlich in seinem traditionellen Hinterhof Afrika zumindest bewahren zu können. Der französische Einfluss war durch US-amerikanische Interessen in den neunziger Jahren, in diesem Jahrzehnt dann durch das Erstarken der chinesischen Konkurrenz gemindert worden. Von einem näheren Zusammenrücken der westlichen Großmächte erhofft die französische Regierung sich nunmehr, traditionelle Privi­legien zu bewahren, die sie im Alleingang kaum noch verteidigen könnte.