Sturmfest im Stammland

Die niedersächsische NPD hat ihren Wahlkampf für die Landtagswahlen im kommen­den Jahr eröffnet. Von Andreas Speit

Die Führung marschiert ein, und die Anhänger stehen stramm: Die Wahlveranstaltung der NPD am Sonntag im »Hannoverschen Congress-­Centrum« sollte zackig beginnen. Aus den Lautsprechern dröhnt das »Niedersachsenlied«: »Von der Weser bis zur Elbe, von dem Harz bis an das Meer, stehen Niedersachsens Söhne« – ja, wie eigentlich? So: »sturmfest und erdverwachsen«. Nicht alle der etwa 600 Anhänger der NPD und der »Freien Kameradschaften« sind textsicher. Vor allem die jüngeren stimmen nicht mit in das Lied ein. Umso inbrünstiger singen die älteren die Landeshymne aus dem Jahre 1934.

Lang anhaltender Applaus kommt auf, als »er« die Bühne betritt. »Der führt uns in den Landtag«, sagt ein Herr in Anzug und mit Krawatte. »Klar, der reißt’s«, erwidert sein Nachbar, ein Jugendlicher mit Glatze und Tattoos. Männer und Frauen jeden Alters klatschen begeistert. Schwungvoll schreitet ihr Anführer zum Rednerpult. Die Daumen hält er nach oben. Optimismus will Andreas Molau, der Spitzenkandidat, verbrei­ten. Hofft die NPD doch, am 27. Januar in den niedersächsischen Landtag einzuziehen.

»Sechs plus x« gibt Molau als Ziel an. Eine Emnid-Umfrage lässt die NPD hoffen, nach fast 40 Jahren erneut in einem Landesparlament im Westen ver­treten zu sein. Von den Befragten konnten sich elf Prozent vorstellen, eine Partei rechts von der CDU zu wählen. »Da wäre es doch gelacht, wenn wir nicht sechs oder sieben Prozent mobilisieren könnten«, meint Molau. Hinter ihm prangt das Wahlkampfmotto: »Sozial geht nur national«.

Am Eingang der Halle ist der Protest kaum zu hören. Die Stadt hat der NPD eine auf dem Gelände sehr weit hinten liegende Halle zugewiesen. »Nazis sind in Hannover unerwünscht«, sagt Ober­bürgermeister Stephan Weil (SPD) und betont: »Nicht Ausländer raus, sondern Nazis raus!« Vom nur wenige Kilometer entfernten Opernplatz, wo sich 8 000 Menschen versammelten, zog die Demonstration vor das Congress- Centrum.

Wie unerwünscht sie ist, spürt die Partei auch ganz praktisch. Für eine Pressekonferenz gab es vor dem gerichtlich erstrittenen Zeitraum für die Nutzung der Halle keine Räumlichkeit. Und das Cateringteam lieferte keine Getränke und Speisen. So mancher Infotisch wird erst im Laufe der Veranstaltung ausstaffiert. »Gute Heimreise«, steht auf einem der Aufkleber, die ausgelegt sind. »Jeder ist Ausländer. Nur dort nicht, wo er hingehört«, prangt auf einem anderen. Der Aufdruck einiger T-Shirts lässt auch keine Zweifel aufkommen: »Todesstrafe für Kinderschänder« und »Kein Existenzrecht für Israel« ist auf ihnen zu lesen.

Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt stellt seinen Anhängern eine neue Zielgruppe der Partei vor: die Russlanddeutschen. Sie sind in Niedersachsen ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial sind. Aber gar zu herzlich begrüßen die Kameraden Viktor Kasper, den Vertreter der Russlanddeutschen, nicht. »Das sind Deutsche«, muss Voigt gerade den Jüngeren noch mal erklären.

Die meisten Besucher des Parteitags sind jünger als 40 Jahre. Szenekleidung herrscht vor. Nur wenige der vielen Mädchen und Frauen tragen Tracht oder Dirndl. Wegen des Frauenzulaufs wolle man noch eine Frauen- und Familienkonferenz ausrich­ten, verspricht Molau auf der Pressekonferenz. Er wolle im brandenburgischen Rauen auf einem von ihm kürzlich miterworbenen Anwesen eine Bildungseinrichtung im anthroposophischen Geis­te eröffnen, erzählt der ehemalige Waldorfschullehrer für Geschichte und Deutsch. Auch über den Holocaust wolle er diskutieren. Im Jahr 1994 musste der 39jährige die Redaktion der Zeitschrift Junge Freiheit verlassen, nachdem er als Ressortverantwortlicher einen Beitrag veröffentlicht hatte, in dem die Leugnung des Holocaust angedeutet worden war.

»Die NPD ist heute die Speerspitze für eine knallharte Oppositionspolitik«, brüllt er während seiner Rede. »Die SPD hat den sozialen Gedanken längst verraten.« Der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden droht er: »Ihre Religionsgemeinschaft, Frau Knoblauch, ist hierzulande ohnehin überprivilegiert. Ich versichere Ihnen: Wenn die NPD in Deutschland die Richtlinien der Politik bestimmt, dann können Sie diese Sonderbehand­lung vergessen.«

Immer wieder kommt Applaus von den Anhän­gern. Udo Pastörs reißt als letzter Redner die Besucher mit. Die NPD sei die Höchststrafe für das »deutsche Parteiensystem«, sagt der Fraktionsvor­sitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern und verspricht, die Partei werde »auf politisch offensive Aggression umschalten«. Und wei­ter meint er: »Ohne den Sieg in den Parlamenten gibt es keinen Sieg auf der Straße« und »ohne den Sieg auf der Straße keinen Sieg in den Parlamenten«.

Im niedersächsischen Wahlkampf stehen die NPD und die Kameradschaften fest zusammen. Ihr Material verteilen sie im Harz und an der Küs­te, Infostände stellen sie schon seit längerem auf. Voigt bezeichnet Niedersachsen als »altes Stammland«. Bei den Wahlen in Hessen und Hamburg wollen sie sich dagegen weniger engagieren. Die Strategie hat Molau bereits früh dargelegt: Man will die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten ansprechen und die sozialen Fragen »national beantworten«. Die vielen Straftäter in den Kameradschaften stören die Partei dabei wenig. »Resozialisierung« nennt Molau diese Öffnung. In der Halle tummeln sich viele Kader aus verbotenen Gruppierungen.

»Die Partei ist nicht beliebt«, sagt Molau, »das Personal schon.« Ihr Erfolg bei den Kommunalwahlen im Jahr 2006, bei denen die NPD 18 Mandate gewann, lässt sie hoffen. Mit dem »Lied der Deutschen«, dessen Strophen alle kennen, endet die Veranstaltung.