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Die meisten Bundesländer haben die Einrichtung von Hochschulräten beschlossen oder den noch mancherorts bestehenden Kuratorien und Beiräten weit reichende Befugnisse übertragen. Die mächtigen Gremien nach dem Vorbild von Aufsichtsräten in Kapitalgesellschaften haben den Einfluss von Unternehmen auf die Hochschulen deutlich größer werden lassen. von hannes delto

Eines haben der Personalvorstand der Deutschen Telekom, Thomas Sattelberger, der ehemalige Prä­sident der Deutschen Bundesbank, Hans Tiet­mey­er, und die Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Brigitte Tilmann, mit Sicherheit gemeinsam: Sie sind Mitglieder in mächtigen Hochschulgremien, die ähnlich wie Aufsichtsräte in Unternehmen die Präsidien und Rektorate kon­trollieren und beraten. Zum Teil entscheiden sie so­gar über Finanzen und Struktur der Hochschulen.

Wer an den Universitäten neuerdings das Sagen hat, untersuchte Werner Nienhüser, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Personalwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Nach seiner Studie sind etwas mehr als 40 Prozent der 463 Mitglieder von 57 Hochschulräten in zwölf Bundesländern an den jeweiligen Universitäten beschäftigt. Mehr als ein Drittel, also beinahe ebenso viele, kommen aus der freien Wirtschaft. Der Anteil der Wirtschaftsvertreter unter den Vorsitzenden der Hochschulräte liegt sogar bei fast 50 Pro­zent. Davon sind wiederum etwa 80 Prozent Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder. Auf­fällig ist weiterhin, dass an Universitäten, die einen beträchtlichen Drittmittelanteil von Unterneh­men beziehen, auch überdurchschnittlich viele Wirtschaftsvertreter in den Hochschulräten sitzen.

»In so einem numerischen Ungleichgewicht liegt ein Machtpotenzial, das auch Gefahren mit sich bringen könnte. Anlass genug, die Tendenz weiter kritisch zu beobachten«, erläutert Nienhüser der Jungle World. Die Gefahr würde sich seiner Meinung nach verringern, wenn auch Vertreter der eigenen Hochschule im Hochschulrat säßen. Dass diese ihre verschiedenen Aufgabenfelder vermischen und es zu Interessenkonflikten kommen könnte, bleibt allerdings unberücksichtigt.

Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) droht ein Paradigmenwechsel an den Hochschulen, da die Räte Aufgaben an sich zögen, die zuvor Sache der Hochschulen selbst waren. Gleichwohl erhofft man sich von den steigenden Drittmitteleinnahmen bessere Lehr- und Lernbedingungen. Jedoch zeigt Nienhüsers Studie deutlich, dass damit auch die Abhängigkeit von Unter­nehmen wächst. Andreas Keller, Vorstandsmitglied der GEW, sagt: »Die Autonomie, die den Hoch­schulen durch die Landesgesetze gegenwärtig ge­währt wird, wird konterkariert durch das Abtreten von Befugnissen der Hochschulen an die Hochschulräte, wie zum Beispiel die Wahl der Hoch­schul­leitung oder die Entscheidung über den Haushalt. Das sind Verfügungen der Hochschulgremien und nicht der Hochschulräte. Die ureige­nen Angelegenheiten der Selbstverwaltung müssen bei den Kollegialorganen der Hochschulen verbleiben.«

Bereits im Jahr 1985, mit der ersten Novellierung des aus den siebziger Jahren stammenden Hochschulrahmengesetzes, wurde damit begonnen, die rechtliche Grundlage für größere Gestaltungs­spiel­räume der Hochschulen zu schaffen. Der Bund gab Einfluss an die Länder ab, die Länder wiederum gaben an die Hochschulen Einfluss ab. Den Weg für eine neue Organisationsform ebnete die vierte Novellierung des Gesetzes im Jahr 1998, mit der »die innere und äußere Orga­nisa­tion und Ver­waltung der Hochschulen« aus dem Rahmengesetz gestrichen und der Zuständigkeit des Bundes entzogen wurde. Im Mai dieses Jahres hat die Bundesregierung sogar beschlos­sen, das Hoch­schulrahmen­gesetz, in dem auch Dinge wie die Mit­be­stim­mungsrechte der Hochschulmitglieder festgelegt waren, im Jahr 2008 vollständig abzuschaffen. »Wenn der Staat seinen Einfluss zu­rücknimmt, entsteht so etwas wie ein Auf­sichts­vakuum oder ein Kontrollvakuum, das irgendwie gefüllt werden muss, und man glaubt deshalb, eine Analogie zu den Strukturen von Unternehmen herstellen zu können«, sagt Nienhüser.

»Richtig wäre es, die Autonomie mit einer Demo­kratisierung der Hochschulen zu verbinden, aber das wird nirgendwo ernsthaft betrieben«, kritisiert Keller. Dafür fehlt offenbar der politische Wille. Und finanzielle Vorteile scheint die Einrich­tung von Hochschulräten mit sich zu bringen, wie Nienhüsers Studie belegt. Dass dabei der Charakter der Hochschulen als öffentliche Einrichtungen verloren gehen könnte, wird möglicherweise bewusst in Kauf genommen.

Gegenwärtig novelliert das sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sein Hochschulgesetz. Die Implementierung von Hochschulräten begründet die Wissenschaftsministerin des Landes, Eva-Maria Stange (SPD), unter anderem damit, dass bestimmte Hochschulgremien zwar nach dem Ende der DDR in der Phase des Neuaufbaus einen wichtigen Beitrag zur inneren Stabilisierung der Hochschulen und zum Wiedererstehen der vom SED-Regime weitgehend zerstörten akademischen Kultur geleistet hätten, inzwischen aber ihre Aufgaben nicht mehr lösen könnten. Also Schluss mit der Hochschuldemokratie? Der Leipziger Volkszeitung sagte kürzlich der Rektor der Universität Leipzig, Franz Häuser: »Kritik gab es unter anderem an der avisierten Beschneidung der Kompetenzen des Senats. Auch die Zusammen­setzung des künftigen Hochschulrats und dessen erheblichen Einfluss auf Strukturfragen sehen wir als problematisch an.«

In Nordrhein-Westfalen ist das »Hochschulfreiheitsgesetz« Anfang des Jahres in Kraft getreten. Danach erhalten die Hochschulen mehr recht­li­che und fachliche Autonomie, zentrale Ent­schei­dun­gen werden jedoch den teilweise mit Ex­ter­nen be­setzten Hochschulräten übertragen, die bis zum Wintersemester zu berufen sind. Die Uni­versität Paderborn hat ihre Wahl bereits getroffen. Der Vor­sitzende des Asta der Universität Paderborn, Sebastian Hachmann, kritisiert: »Dass externes Per­sonal hinter verschlossenen Türen gewählt wird, ist äußerst fragwürdig. Personen, die für den Hochschulrat kandidiert haben, waren öffentlich nicht bekannt, im Gegensatz zu den Kandidieren­den des Senats. Es gab auch keine öffentliche Aus­schreibung, wie es sie zum Beispiel bei der Wahl der Hochschulleitung gibt.«

So wurde etwa als eines von acht Mitgliedern die Politik- und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler ernannt, die in die Kritik geriet, weil sie Büroräume im sächsischen Zwickau an den NPD-Abgeordneten Peter Klose vermietet hatte. Die Stu­dierendenvertretungen hoffen auf eine nachträg­liche Verbesserung des Gesetzes, das etwa die Ab­wahl von Hochschulratsmitgliedern bislang nicht vorsieht. Solange sammelt der Paderborner Asta Unterschriften gegen den Verbleib Höhlers in dem mächtigsten Gremium der Universität.