Seelsorger und Mannequins

Deutschland ist kein Einwanderungsland. Es sei denn, man meint mit diesem Begriff die Integration der längst hier lebenden Arbeitsmigranten der sechziger und siebziger Jahre. kommentar von andreas fanizadeh

In Cottbus fehlen zwei Mediziner, in Oldenburg ein Ingenieur, und in Konstanz sucht die Universität einen IT-Wissenschaftler. Also werden die Stellen über deutsche Job-Agenturen im Ausland zur Anwerbung ausgeschrieben. Bevorzugt in Osteuropa. Mit etwas Glück lassen sich dort junge und gut ausgebildete Akademiker finden, vielleicht sogar mit christlichem Hintergrund und ohne Familienanhang. Der Idealfall des neuen deutschen Gastarbeitertypus, so sieht er aus: jung, ledig und die Ausbildungsgebühren vom Herkunftsland bezahlt, beweglich und zur Rückkehr verpflichtet. Die einschlägigen Materialien des von Wolfgang Schäuble geleiteten Innenministeriums sprechen hierzu eine deutliche Sprache. Wer als Facharbeiter aufgrund bilateraler Regierungsvereinbarungen nach Deutschland kommt, erhält einen zeitlich strikt begrenzten Arbeitsvertrag. Die Statistiker des Bundesinnenministeriums weisen für das Jahr 2003, also noch unter der rot-grünen Koalition, 44 000 solcher Zeit- oder Gastarbeitsverträge aus. Zusätzlich zähl­ten sie 307 182 zeitlich begrenzte Saisonarbeiter, zumeist aus Polen und für die deutsche Landwirt­schaft tätig.

Ein vereinfachtes und weniger zeitlich limitiertes Zuzugsrecht nach Deutschland können fast nur Manager, Wissenschaftler, Seelsorger, Künstler, Leistungssportler oder Mannequins beanspruchen. »Die Besten aus aller Welt müssen in Deutschland attraktive Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden«, tönte es im Sommer vorigen Jahres aus dem »Integrationsvertrag« der Grünen und ist parteiübergreifender Konsens. Zu »den Besten« zählen, so die Aufenthaltsbestimmungen, generell Menschen, die hier mehr als 85 000 Euro jährlich verdienen würden oder von Herkunft aus vermögend sind.

Doch nicht alles lässt sich einfach ökonomisch bestimmen. So erwies sich Gerhard Schröders Computerinder-Green-Card-Initiative weitest­gehend als Flop. Statt der jährlich empfohlenen 20 000 IT-Kräfte kamen von 2000 bis 2004 keine 18 000 Super-Inder. Ausländischen Spitzenkräften sind die Löhne in Deutschland oft zu niedrig, Bürokratie und Ausländerfeindlichkeit zu hoch.

Deutschland ist kein Einwanderungsland, es sei denn, man bezieht diesen Begriff ausschließlich auf die bereits hier Lebenden, also retrospektiv auf die Integration der Arbeitermigrationen der sechziger und siebziger Jahre. Am dramatischsten drückt sich die Abwehr von Einwanderern im Bereich des Asylrechts aus. Im Jahre 1992 versuchten 438 191 Menschen, über einen Asylantrag in Deutschland einen dauerhafteren Aufenthalts- und Arbeitsrecht zu erlangen. 2006 wurden nur noch 21 029 Anträge gestellt. 30 759 der angesammelten Fälle kamen zur Verhandlung. Gerade einmal 251 Personen wurde ein Recht auf Asyl zugesprochen. Für Menschen aus Afrika, insbesondere aus Schwarz­afrika, will Deutsch­land kein Einwanderungsland sein. Nigerianer waren mit 481 Anträgen 2006 Spitzenreiter unter den afrikanischen Antragstellern. In dem westafrikanischen Ölstaat wird in einigen Re­gionen die Sharia praktiziert. Anerkannte Anträge in Deutschland: null.