Flop am Rathausmarkt

Schon wieder ein Desaster für die DVU: Ihre für den vorigen Samstag geplante Kundgebung in Hamburg fiel ins Wasser. Die Aktionen zum Wahlkampf für die Bürgerschaft im Februar will sie dennoch verstärken. Von Andreas Speit

Unter dem Motto »Meinungsfreiheit für Eva Herman« wollte die Partei auf dem Rathausmarkt, direkt vor der Bürgerschaft, für die geschasste Moderatorin des NDR aufmarschieren. Am Samstag kamen aber, auf Anregung der Grün-Alternativen Liste (GAL) hin, alle Fraktionen zu einer Ratssitzung zusammen, sodass die Kundgebung nach dem Bannkreis-Gesetz verboten werden konn­te. Die Bemühungen des Hamburger DVU-Vorsitzenden Günther Schlemmer, andernorts in der Innenstadt eine Kundgebung auszurichten, scheiterten ebenso. Der Grund: Alle zentralen Plätze waren bereits durch angemeldete Gegenkundgebungen besetzt.

Seit einigen Wochen versucht der Landesverband der DVU mit seinen etwa 160 Mitgliedern in Ham­burg, in die Öffentlichkeit zu gelangen. Schließlich kandidiert die Partei bei der Bürgerschaftswahl im Februar kommenden Jahres. Die laufenden Auseinandersetzungen um Hermans Äuße­run­gen zur Familienpolitik der Nationalsozialisten boten offensichtlich einen guten Anlass, ein wenig Wirbel zu machen. In den vergangenen Wochen zeigte sich schon die der Partei nahestehende National-Zeitung solidarisch mit dem »Opfer« einer »Hetzkampagne«. »Die verbies­terte Gutmenschenfraktion hat wieder zugeschlagen«, hieß es in der Zeitung, die mit 45 000 Exemplaren die auflagenstärkste der rechtsex­tremen Szene ist. Der Rechtsanwalt von Herman versuchte indes, gegen die Solidaritätskundgebung vorzugehen. Ohne Erfolg, wenn man der DVU-Mitteilung auf der Website des Landesverbands Glauben schenken mag.

Die Internetseite der Hamburger DVU spiegelte lange Zeit die reale Situation wieder. Nur selten wurden aktuelle Themen aufgegriffen oder öffentlichkeitswirksame Aktionen angekündigt. Die Mehrheit der Mitglieder des Verbandes scheint inaktiv zu sein. Doch kaum hatte der Bundesvorstand im August »einstimmig beschlossen«, dass die DVU zur Wahl antritt, machte der Landesverband mobil. Der Beschluss überraschte wenig, hatte die DVU doch bereits im Jahr 2005 im »Deutschland-Pakt« mit der NPD vereinbart, dass sie in Hamburg kandidiert. Die Website wird seit dem Beschluss regelmäßig betreut, auf einem Landesparteitag am 2. September wurde der Vorstand neu bestimmt. Optimistisch verkündet Schlemmer: »Die DVU wird in der Metropole an der Elbe ein Signal für Deutschland setzen.« Ein Versprechen, an das im Landesverband allerdings nicht alle Mitglieder glauben.

Anfang September wollte sich die DVU in den Räumen der Eisenbahnervereinigung »Associa­tion Européenne des Chemins« (AEC) nahe der Deichtorhallen treffen. Zum »Klönschnack« kommen meist nur knapp 20 Freunde der Partei. Aber je näher die Wahl rückte, umso mehr Mitglieder tauchten auf. »Nazis raus!«, so schallte es ihnen an jenem Abend entgegen. Eine Antifa-Initiative protestierte vor dem Gebäude der Deutschen Bahn AG. Eilig stieg Schlemmer mit seiner Begleitung in seinen PKW und fuhr davon. Andere der meist älteren Herren und Damen drehten sofort um.

Der DVU-Kader Robert Volkovic rief indes die Polizei, weil er sich bedroht fühlte. Kaum waren die Beamten eingetroffen, wurde er redselig. Der Verband habe »einige Probleme«, räumte er ein, nicht nur, dass die Mitglieder nicht sehr en­gagiert seien. Ein Konflikt scheint in der DVU unausweichlich. Dem »Deutschland-Pakt« zufolge könnten NPDler auf der DVU-Liste kandidieren. Doch, so Volkovic: »Die Zusammenarbeit ist umstritten.« Am 2. September hatte der Verband ihn als stellvertretenden Landesvorsitzenden abgewählt. Warum, mochte er nicht sagen. Wie die DVU ohne Hilfe der NPD den Wahlkampf auf der Straße führen möchte, ließ er offen.

Zwei weitere Herren der DVU, die auf dem Gehweg beobachteten, wie die Polizei versuchte, die Demonstranten festzusetzen, hielten sich mit ihrer Meinung weniger zurück. »Der redet doch nur«, sagte einer von ihnen und sah zu Volkovic hinüber. Der andere schimpfte über Schlem­mer: »Der macht auch nichts.« Zusammen fragten sie sich, ob ein weiteres Mitglied nicht gar »ein Spitzel« sei. »Diesmal würde ich uns nicht wählen«, meinte einer der beiden noch.

Der formale Bündnispartner, die NPD in Hamburg um Jürgen Rieger, hält sich derweil mit öffentlichen Kritiken an der DVU zurück. Anders in Bremen. Nach der Bürgerschaftswahl im Mai, bei der die DVU ihre Mandate gerade so hatte halten können, wurde in der NPD Kritik laut. »Und wieder ein Sieg verschenkt«, klagte Markus Privenau auf der NPD-Website und meinte, dass ohne lokale Verankerung und geeignete Spitzenkandidaten keine großen Wahlerfolge möglich seien.

Bis zur Wahl dürfte der Bundesvorstand der DVU den Landesverband intensiv unterstützen. Erste Hilfen wurde bereits sichtbar. Zur Kund­gebung für Herman und die Meinungsfreiheit sollten auch die brandenburgische Fraktionsvorsitzende der DVU, Liane Hesselbarth, und der sachsen-anhaltische Landesvorsitzende, Ingmar Knop, anreisen. Auch Themenschwerpunkte des Wahlkampfs verkündete der Bundesvorstand unlängst: »Arbeit statt Zuwanderung«, »Hartz-IV-Armut, es reicht« und »Geld für Deutsche statt Bundeswehr im Ausland«. Nur ein Slogan hat bis­her einen direkten Bezug zu Hamburg: »Michel statt Moschee«.

Ihre Wahlkämpfe führte die Partei in den vergangenen Jahren meist mit einem enormen Einsatz an Propagandamaterial. Eine Strategie, die Wirkung zeigte, auch in Hamburg. Im Jahr 1997 fehlten der DVU nur 190 Stimmen, um in die Bürgerschaft einziehen zu können. Vier Jahre spä­ter schöpfte jedoch die »Schill-Partei« das rechtsextreme Wählerpotenzial ab. Zur neuen Konkurrenz »Rechte Mitte Heimat Hamburg« äußerte sich die DVU bisher nicht. Die öffentliche Auseinandersetzung sucht sie aber wieder. Schlemmer bestellte unlängst zehn Karten »zum Besuch« der Bürgerschaftssitzung am 7. November, um ein »Informationsgespräch mit Abgeordneten« zu führen.