Migration ins Museum

Der gegenwärtige Streit um strengere Einwanderungsgesetze überschattete die Eröffnung des Immigrationsmuseums in Paris. Von Bernhard Schmid

Die Einwanderer kamen überwiegend aus Dörfern und Kleinstädten in die französische Hauptstadt. Die Männer galten als gute Straßenkehrer, die Frauen landeten häufig in der Prostitution und wurden oft schon am Bahnhof von Bordellbetreibern abgefangen. Damit die Auswanderer auf dem Pfad der Tugend blieben, schickten religiöse Gemeinschaften aus dem Herkunftsland Kleriker und »Schwestern« nach Paris, die an den Bahnhöfen Wache schoben und Seel­sorge unter den Armen und Marginalisierten betrieben. Religiöse Zirkel lieferten sich mit Geheimbünden, die die Arbeiterbewegung in der Emigration formieren wollten, einen Konkurrenzkampf um die Köpfe. Die französische Polizei war sehr daran interessiert, subversiven Regungen in dieser Einwanderungsbevölkerung nachzuspüren.

Die Migrationsbevölkerung, von der hier die Rede ist, waren die Deutschen in Paris zwischen 1830 und 1850. Oder eher, da es zu dem Zeitpunkt keinen deutschen Nationalstaat gab, die Rheinhessen, Bayern und Alemannen. Als Straßenfeger besonders begehrt waren übrigens die Leute aus Hessen.

Es handelt sich hier um eins der vergessenen und verdrängten Kapitel der Einwanderungs­geschichte in Frankreich. Um die Migration endlich als Teil der Sozialgeschichte des Landes der Öffentlichkeit zu präsentieren, regten französische Historiker seit Jahren an, eine eigene Forschungs- und Ausstellungsstätte einzurichten. Am vergangenen Mittwoch war es nun so weit: Die Cité nationale de l’histoire de l’immigration eröffnete an der Porte Dorée, im Pariser Südosten.

Die offizielle Einweihung wurde jedoch von der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung um die Einwanderungspolitik überschattet. Im Juni dieses Jahres traten acht Historiker, Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der noch nicht eröffneten Cité, aus Protest gegen die Einrichtung eines »Ministeriums für Einwanderung und nationale Identität« zurück, das im Mai mit dem Sarkozy-Vertrauten Brice Hortefeux besetzt worden war. Einer Regierung, die eine ominöse »nationale Identität« zum staatlich instrumentalisierten Politikbegriff erheben möchte, mochte man weder direkt noch indirekt dienen.

Der nun für dieses Ressort zuständige Minister Brice Hortefeux versuchte, eine Gegenoffensive zu starten. Er kündigte an, ein neues »Institut für Studien zu Einwanderung und Integration« zu gründen. Unter staatlicher Aufsicht, aber auch mit Beteiligung von Privatfirmen wie Renault und Total am Aufsichtsrat, sollten die Auftragsforschung und ihre Finanzierung in einer Instanz gebündelt werden. »Rein zufällig« sollte das Institut genau anderthalb Tage vor der Einweihung der Cité de l’immigration – am Montagabend voriger Woche – gegründet werden. Doch dann wurde die Feier auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund dürfte die Weigerung qualifizierter Hochschullehrer und Wissenschaftler sein, mit dem geplanten neuen Institut zusammenzuarbeiten. Sie stellten die Unabhängigkeit des Instituts infrage und wollten sich nicht für staatliche Zwecke instrumentalisieren lassen.

Überschattet wurde die Einweihung des Museums zusätzlich von Polemiken im Regierungslager über die Maßnahmen zur Verschärfung der Einwanderungspolitik. Besonders die geplanten DNA-Untersuchungen für Visumsbewerber (Jungle World 39/07) stoßen selbst einen Teil der bürgerlichen Rechten ab. Sie halten die Gentests für unchristlich, antiliberal oder auch verfassungswidrig.

Aufregung im Regierungslager rief am vorigen Dienstag auch die Staatssekretärin im Wohnungsbauministerium Fadela Amara hervor. Die frühere Sozialdemokratin und ehemalige Vorsitzende der Frauenvereinigung »Ni putes ni soumises« (Weder Nutten noch unterwürfig), die sich gegen die Gewalt gegen Frauen in Vorstädten engagiert, hatte im Frühsommer einen Regierungsposten unter Präsident Sarkozy akzeptiert. Bisher hatte sie sich dort als Opportunistin profiliert. Jetzt aber meldete sie erstmals harte Kritik an. Es sei »ekelhaft«, wie das Thema Einwanderung immer wieder instrumentalisiert werde. Abgeordnete der Rechten wie der Scharfmacher Patrick Devedjian reagierten darauf »beleidigt«.