Von wegen!

Platte Buch von markus ströhlein

Notorischen Bescheidwissern ist es seit Jahren bekannt: Die Einstürzenden Neubauten bringen es nicht mehr! Den Anspruch, »kein Bestandteil sein« zu wollen, wie ein Stück von 1987 heißt, hätten sie längst verraten. Sie hätten sich gemütlich eingerichtet in der Welt der saturierten Kulturfuzzis. Solch übler Nachrede sollte man einfach einen Songtitel vom neuen Album der Band entgegenhalten: »Von wegen!« Die Produktion von »Alles wieder offen« hat weder ein Label, noch die staatliche Kulturförderung bezahlt. Stattdessen hat die Gruppe die Platte so »independent« aufgenommen, wie es die bestehenden Möglichkeiten zulassen: Ihre Anhänger haben das nötige Geld gespendet.

Belohnt werden sie mit zehn Stücken, in denen erwartungsgemäß das Harsche und Drastische aus den Anfängen der Neubauten keine große Rolle mehr spielt. Aber, liebe Nostalgiker: Früher war nicht alles besser, sondern schlicht anders. So muss man heutzutage nicht erst eine Schicht des Krachs durchdringen, ehe man die vielen, unterschiedlichen Details der Musik entdeckt: »Weil Weil Weil«, »Let’s do it a dada« und »Alles wieder offen« sind furiose, perkussive Tanzstücke. »Ich hatte ein Wort« entpuppt sich als avantgardistische R’n’B-Nummer. Und auch nach 27 Jahren des Bestehens schafft es die Band, so überwältigend und ergreifend zu sein wie am Anfang: Unaufhaltsam schwillt der erste Song an, ehe »die Wellen« – so heißt das Stück – den Hörer erfassen. Nach 50 Minuten spucken sie einen wieder aus. Aber gern wäre man länger dort geblieben, wo Blixa Bargeld von Gott, der Welt und »Weltraumschrott« singt.