Ein eineiiger ­Zwilling bleibt

Die Wahlen in Polen warteten mit einer Überraschung auf: Premier Jaroslaw ­Kaczynski und seine Partei PiS haben ver­loren. Sieger sind der Liberale Donald Tusk und seine Bürgerplattform. Von Kamil Majchrzak

Wenn’s nichts zu wählen gibt, bleibe nur die Wahl des kleineren Übels, sagt Jadwiga vor einem Wahl­lokal in der deutsch-polnischen Grenzstadt Slubice. Ähnlich wie sie haben sich am Sonntag zahl­reiche Polen aus Protest gegen die national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) für die wirtschaftsliberale Bürgerplattform (PO) entschieden. Trotz eisiger Kälte besuchten überraschend viele Menschen die Schule, in der ein Wahllokal eingerichtet worden war. 55 Prozent der Wahlberechtigten nahmen insgesamt an den Wahlen teil.

Mit dem Wahlsieg der Bürgerplattform von Donald Tusk, die über 40 Prozent der Stimmen gewann, kann die vor zwei Jahren feierlich verkündete IV. Republik aber noch nicht ad acta gelegt werden. Immerhin bleibt ihr Schöpfer, der Präsident Lech Kaczynski, weiter im Amt. Verglichen mit den Wahlen im Jahre 2005 hat die PiS sogar mehrere Mandate hinzugewonnen. Die PO wurde wohl mit Stimmen von der rechtsextremistischen Liga der Polnischen Familien (LPR) und der Bauernpartei Samoobrona gestärkt. Beide fielen auf knapp 1,5 Prozent zurück und flogen damit aus dem Parlament.

Die Hegemonie rechter Parteien, ihr wirtschaftsliberales Programm und die gegen die Gewerkschaften und die soziale Opposition gerichtete Politik dürften dagegen fortgesetzt werden. Eine echte linke Alternative, die den Sprung ins Par­lament schaffen würde, war zu keinem Zeitpunkt in Sicht. Die einzige Partei mit klar antikapita­listischem Programm, die Polnische Partei der Arbeit (PPP), erreichte nur ein Prozent.

Die Koalition aus Liberalen und Postkommunisten in der LID (Linke und Demokraten), die mit rund 13 Prozent zur drittstärksten Kraft wurde, ist für viele Opfer des Transformationsprozesses keine echte Alternative. Waren es doch die Post­kommunisten der SLD, die das Arbeitsrecht zu Guns­ten der Unternehmer »reformierten« und restriktive Sozialgesetze verabschiedeten.

Interessanterweise vermieden es alle Parteien, ihre faktische Befürwortung des Neoliberalismus in den Vordergrund zustellen. Die Bürgerplattform wehrte sich sogar mit einem Gerichtsverfahren gegen die Behauptung eines PiS-Wahl­spots, sie wolle die Notaufnahmen in den Kliniken privatisieren.

Überdies verschleierten die Wahlen einmal mehr die wachsende Armut im Land. Innerhalb von drei Jahren haben zwei Millionen Polinnen und Polen das Land verlassen. Nach Angaben des Instituts für Arbeit und Soziales müssen heute mehr als 59 Prozent aller Polen mit umgerechnet 228 Euro im Monat auskommen. 23 Millionen Menschen können so ihre elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen. Nach den Angaben des staatlichen Statistikamts lebten in den Jahren 2004 bis 2005 zwölf Prozent aller Polen unter dem Existenzminimum.

Die PiS versuchte mit ihrer Rhetorik, die sozialen Probleme nicht als Folge des Kapitalismus, sondern als Konsequenz krimineller und mafiöser Verschwörungen, zumal nicht-polnischer, darzustellen. Dies ist ihr in Teilen gelungen. Doch die Müdigkeit der Menschen, die täglich mit neuen Meldungen über Skandale und Affären gefüttert wurden und keine Perspektive auf Veränderung mehr sahen, führte zum Erfolg der friedlich und europäisch daherkommenden Bürgerplattform.