Da freut sich der Wirt

Freiburg zeigt, wie man Probleme zwar nicht aus der Welt, aber aus dem Blick schafft: Das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit ist künftig an städtischen »Brennpunkten« verboten. von john philipp thurn

»Die Zwillingsschwester der Freiheit ist die Verantwortung.« Dieter Salomon (Die Grünen), seit 2002 Oberbürgermeister von Freiburg, ist gelernter Politologe. Deswegen sagt er vermutlich solche Sätze, wenn er andere davon überzeugen will, dass das Trinken in der Öffentlichkeit verboten werden müsse.

Am 20. November war er damit im Freiburger Gemeinderat erfolgreich. Dieser verabschiedete zwei Vorlagen der Stadtverwaltung, die in der angeblich so liberalen und toleranten Stadt für mehr Ordnung sorgen sollen: Eine strengere Polizeiverordnung wird es möglich machen, in der Öffentlichkeit Alkohol trinkende »Randgruppen« leichter zu verfolgen, und in den Nächten von Freitag bis Sonntag ist ab 1. Januar an zwei städtischen »Brennpunkten« jeglicher Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit verboten.

Eine Bedrohung der Freiburger Ruhe und Sauberkeit sind dem Gemeinderat zufolge gewisse »soziale Randgruppen«, also bestimmte Drogenmilieus und Obdachlose, die sich auf den Plätzen der Stadt treffen und dort angeblich das »Stadtbild« und den Einzelhandel beeinträchtigen. Bislang durfte die Polizei Menschen, die im öffentlichen Raum genächtigt, »die Notdurft verrichtet« oder Passanten belästigt hatten, mit Aufenthaltsverboten und Bußgeldern belegen. Nach der verschärften Polizeiverordnung genügt es bereits, dass sie sich »ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses« treffen und die Auswirkungen des Alkoholkonsums »geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen«.

Michael Moos von den Unabhängigen Listen (UL) kritisierte im Gemeinderat diese extreme Ausweitung polizeilicher Eingriffsmöglichkeiten, die Mehrheit aber störte das nicht. Bedenken wischte der Sprecher der FDP, Patrick Evers, beiseite: Wer der Polizei immer mit Misstrauen begegne, lehne letztlich den Rechtsstaat ab. Gegen die Stimmen der UL und der Grünen (außer der des Oberbürgermeisters) wurde die Vorlage beschlossen.

In der Freiburger Debatte um das Alkoholverbot an den städtischen »Brennpunkten« – und da machte der Gemeinderat keine Ausnahme – wurde das Bild Hunderter Jugendlicher beschworen, die billigen mitgebrachten Fusel in sich hineinschütten und dann alles zusammenschlagen, was ihnen in die Quere kommt. Gegen das gesamtgesellschaftliche Problem von Gewalt unter Alkohol­einfluss kann und will die neue Polizeiverordnung nichts ausrichten, die Stadtverwaltung selbst spricht von einer bloßen »Hoffnung«, dass ein räumlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot die »Gewaltdelinquenz« verringern könne. Bis auf die Angehörigen der UL und eine einsame Grüne waren sich die Gemeinderatsmitglieder hier am Ende einig. Gewalt sei zu ächten (so die CDU) und junge Menschen hätten auch Regeln zu befolgen (so die SPD), nämlich die des verantwortlichen Umgangs mit legalen Drogen. Dass man auch außerhalb der trockenen Zone »vorglühen« oder – die Wirte wird’s freuen – sich in Kneipen und Discos besaufen kann, spielte keine Rolle.

Bislang haben Gerichte derartige Alkoholverbote, die das Recht auf »kommunikativen Gemeingebrauch« an öffentlichen Plätzen einschränken, für rechtswidrig erklärt. Aber die Stadt Freiburg scheint gewillt, die rechtlichen Grenzen der »Law and Order«-Politik auszutesten. Die Maßnahme ist Ausdruck einer Kriminalpolitik, die nicht mehr individuelles strafbares Verhalten wie Körperverletzungen im Blick hat, sondern schon viel früher ansetzt. Unter dem Schlagwort »Prävention« ist den Menschen plötzlich verboten, was vorher erlaubt war, bloß weil sie vielleicht Straftaten begehen könnten.

Freiburg ist die erste Stadt in Baden-Württemberg, in der eine solche Politik rigoros betrieben wird. In Hamburg, wo derzeit sogar über ein ähnliches Trinkverbot für die Reeperbahn diskutiert wird, sagte eine CDU-Politikerin im September, sie mache sich ja lächerlich, wenn sie verbiete, öffentlich Alkohol zu trinken. Das scheint Salomon anders zu sehen, vielleicht sogar zu Recht: Wer so autoritär vorgeht wie der grüne Oberbürgermeister und Saubermann, der empfiehlt sich im »Ländle« vermutlich für höhere Aufgaben.