»Es gibt zu viele Gartennazis in Deutschland«

Lady Bitch Ray, Sex-Rapperin

In den »Zehn Geboten des Vagina-Styles« erklärt die Bremer Rapperin Lady Bitch Ray alias Reyhan Sahin aus Bremen die Absichten ihres Sex-Raps. Dort heißt es: »Du hast einen Grund zum Feiern: Du hast eine Möse.« Oder: »Bringe deine Ausbildung zu Ende.« Liedzeilen wie »Ein Stößchen, zwei Stößchen, drei Stößchen – in mein feuchtes Möschen« fand Radio Bremen »pornographisch« und kündigte Sahins Job als Reporterin. Im Frühjahr erscheint nun ihr erstes Album: »Die Aufklärung nach Emmanuelle Cunt«. interview: doris akrap und marcus garbrecht

Worin besteht Ihr Konzept der »vaginalen Selbst­bestimmung«?

Ihr seid doch meine Genossen, euch müsste ich das eigentlich nicht mehr erklären. Ich habe keine Lust, ständig zu sagen, dass mein Rap eine Form der Emanzipation ist. Immer müssen sich Frauen rechtfertigen, wenn sie offen über Sex reden. Frauen sollen einfach selbst bestimmen, wie und wann sie ficken wollen. Mein Konzept muss man selbstverständlich im Kontext des Rap betrachten. Dort ist es normal, dass Frauen als Fickobjekte benutzt werden. Sie werden niemals cunnilingiert, sondern müssen den Rappern einen blasen. Mein Konzept heißt Vagina-Style, weil ich das Bild von der spritzigen Fotze auf die Spitze treiben will, damit die Frauen sich auf dem vaginalen Weg zu einer echten Bitch emanzipieren. Ich bin die Gegenposition zum Porno-Rap.

Glauben Sie wirklich, dass männliche Hörer Sie nicht bloß auf Titten und Arsch reduzieren?

Ich habe den Fotzen-Bonus, und von dem profitiere ich auch. Wenn Männer, die keine Ahnung von Rap haben, meine Titten geil finden oder sich einen runterholen, wenn sie mein Poster angucken, stört mich das nicht. Ich glaube, dass beim Wichsen irgendwas von meiner Philosophie hängen bleibt. Lange Zeit war es doch so, dass eine Frau, die intellektuell akzeptiert werden will, auf keinen Fall ihren Körper zeigen konnte. Ich bin da was Neues, eine emanzipatorische Wichsvorlage. Ich kann mich auch sehr gewählt ausdrücken und ganz seriös über Sexualität reden. Aber ich komme von der Straße, und obwohl ich überhaupt nicht für Ghetto oder so was bin, will ich den Jargon der Straße behalten. Ich möchte nicht, dass mich die Leute ernst nehmen, nur weil ich eine Doktorarbeit schreibe. Ich bin Linguistin und beschäftige mich mit Kleidung als Zeichensystem. Ich weiß schon, wovon ich spreche.

Dann ist es also eine semiologische Strategie, dass Sie denselben Signifikanten, nämlich »Bitch«, für völlig unterschiedliche Signifikate benutzen, einerseits für sexuell emanzipierte Frauen, andererseits als Beschimpfung für sexuell nicht emanzipierte Frauen?

Ich benutze ja verschiedene Wörter, sei es Hure, Fotze oder Bitch. Das Wort Schlampe mag ich nicht, denn es stammt etymologisch von dem Begriff unordentliches Frauenzimmer ab. Der Kontext ist entscheidend. Bitch ist etwas Luxuriö­ses und Edles und macht Spaß. Aber Frauen, die ich disse, sind keine coolen Bitches. Sie richten ihre Sexualität nur nach den Bedürfnissen der Männer aus. Eine Frau, die in dem Song »Ich hasse dich« vorkommt, ist Mel Beats, die Ex-Freundin von Kool Savas. Die habe ich mal gefragt, ob sie mit mir ein Lied zusammen macht. Das hat sie mit der Begründung abgelehnt, meine Musik sei nicht ihr Ding. Sie wolle nicht mit jemandem auftreten, der über Menstruation rappt. Aber den Schwanz von Kool Savas zu lutschen, das ist ihr Ding. Da hab’ ich sie gefickt.

Was ist am Rap über Menstruation emanzi­pa­torisch?

Vagina-Style kann man nicht nur mit Studium und Gelaber machen, man muss auch rappen können. Der Menstruationsrap ist eine Weile her. Mit den Jahren habe ich mein Konzept aber ausgereift. Doch bei Radio Bremen, wo ich bis vergangenes Jahr gearbeitet habe, haben die das immer noch nicht verstanden. Da gab es keinen Respekt, dafür hierarchische Strukturen und ein nazimäßiges Verhalten.

Wie hat sich das geäußert?

In dem ganzen Laden hat beispielsweise kein Türke als fester Mitarbeiter gearbeitet. Bis ich in diesen Sender kam, habe ich nie größere Schwierigkeiten wegen meiner türkischen Herkunft gehabt. Aber bei Radio Bremen wurde man total ethnisiert. Ich habe die Chefin gefragt, ob ich von Funk­haus Europa zu Radio Vier, dem Jugendsender bei Radio Bremen, wechseln kann, und sie hat mir geantwortet, dass ich optisch nicht in ihr Team passen würde. Erst dachte ich, das sei auf mein Outfit bezogen, aber dann habe ich kapiert, dass es daran liegt, dass ich nicht ihrer Vorstellung von einer Migrantin entsprach. Diese verlogene Scheißart hat mich wirklich angekotzt. Es sind nicht nur die Stiefelnazis, die in Brandenburg woh­nen und die DVU wählen. Es gibt zu viele Gartennazis in Deutschland. Zu viele Leute sind derart engstirnig, dass sie für mich echt nazimäßig sind. Und Radio Bremen ist so. Da gab es eine latente Ausländerfeindlichkeit, so wie in Deutschland auch eine latente Türkenfeindlichkeit herrscht.

Sie bringen das in einem Ihrer Songs, »Deutsch­land kann nicht ficken«, zum Ausdruck. Kann die Türkei ficken?

Schon eher. Wenn ich beispielsweise in der Türkei bin und einem Goldschmied sage, er soll mir auf einen Ring das Wort Fotze eingravieren, werde ich sofort umschwärmt: »Was, du bist Künstlerin? Geil, Showbusiness!« Wenn ich zu einem deutschen Goldschmied gehe, muss der erst mal darüber nachdenken, ob es politisch korrekt ist, Fotze zu sagen. Demokratie beinhaltet auch künstlerische Freiheit. Und die hatte ich bei Radio Bremen nicht. Die haben mir gekündigt, weil sie meine Musik scheiße fanden. Meine Chefin hat mir erzählt, was sie 1968 alles gemacht hat, aber bei dem, was ich mache, hörte ihre Toleranz auf. Ich würde mir durch meine Musik alles kaputtmachen, hat sie gesagt. Dabei sei ich doch so ein vernünftiges Mädchen. Und mit der Geschichte bin ich dann zu Bild gegangen, und das waren die einzigen, die die Kündigung skandalisiert haben.

Bild hat Sie aber kürzlich mit dem Spruch »Ich bin die weibliche Bushido« zitiert. Damit wurden Sie in eine Schublade gesteckt, gegen die Sie doch eigentlich kämpfen wollen.

Das habe ich natürlich so nicht gesagt. Aber mein plakativer Rap funktioniert ja genauso wie die Bild-Zeitung. Bislang finden die mich gut. Ich erziehe diese Zeitung, denn ich glaube, die haben was gut zu machen, seit ihrer Berichterstattung über die Vergangenheit von Sibel Kekilli als Porno­darstellerin.

Wie reagiert die türkische Community auf Ihre Musik?

Nicht anders als die deutsche. Ich habe sogar mehr Probleme mit Deutschen als mit Türken. Und ich bin moderner als beide. Die Deutschen wollen nicht akzeptieren, dass ich Türkin bin, weil sie glauben, dass Türken so was nicht machen. Deshalb schreibe ich mir so groß auf die Fahnen, dass ich Türkin bin. Es waren immerhin Deutsche, die zur Rosa-Luxemburg-Stiftung gegangen sind, wo ich Stipendiatin bin, und sich beschwert haben, dass jemand wie ich gefördert wird. Daraufhin musste ich in einem stundenlangen Gespräch den Stiftungschefs erklären, was ich da mache und dass das nichts mit meiner Doktorarbeit zu tun hat.

Warum wollten Sie Stipendiatin der Rosa-Lu­xem­burg-Stiftung werden?

Ich bin schon von Natur aus links. Aber ich war nie organisiert und stehe auf Luxus. Für mich ist Individualität ganz wichtig. Sicher gibt es Leute, die mit mir einer Meinung sind, aber ich verbünde mich nicht gerne. Ich hole lieber selbst die Fahne raus und gehe ganz nach vorne.

Würden Sie auf einer politischen Kundgebung auftreten, beispielsweise am 1. Mai in Kreuzberg?

Das ist alles eine Frage der Organisation. Wenn man das managen kann, dass das Bühnenbild vaginastylemäßig aussieht und ich mit meinen Bitches auftreten kann, die ihre Titten zeigen, wieso nicht.

Pädagogen halten Sex-Rap wie Ihren für gefähr­lich, da er Jugendliche »verwahrlose«.

Leute, die so was behaupten, sind Möchtegern-Sozialarbeiter, die keine Ahnung haben, was Rap ist. In einer Dokumentation der TV-Sendung Poly­lux über Jugendliche aus armen Familien und deren Rap-Vorbilder wurde die Musik von B-Tight gespielt, aber eigentlich ging es um die Rapper Sido und Frauenarzt. Die Rap-Fans sind nicht so blöd wie die Sozialarbeiter und Hobby-Soziologen. Ein Fan hört ja nicht nur einen Song, sondern liest die Interviews, guckt sich Fotos an und bewertet das Gesamtbild des Künstlers. Ich habe selber Mädchenarbeit in Bremen gemacht und weiß, wovon ich rede. Es ist nicht der Rap, der die Jugend verwahrlost. Der Rap hat sie gerettet. Leute wie Bushido fungieren als Seelenheiler für die jungen Männer.

Ausgerechnet der sexistische Bushido?

Seine Texte sind teilweise sehr gefühlvoll und emotional und handeln von sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit und Vergewaltigung von Frauen. Für seine Fans, junge Männer aus den ­arabischen und türkischen Communities, ist das Psychologie und echte Sozialpädagogik.

Anders als Sie findet aber Bushido doch, dass Deutschland eine prima Sache ist.

Es ist ja derzeit in, Migrant zu sein und ein Bekenntnis zu Deutschland abzulegen. Aber man darf nicht vergessen, dass diese Leute, auch ich, in diesem Land geboren und aufgewachsen sind. Ich würde nie sagen, dass ich stolz bin, Deutsche zu sein. Aber ich habe es als Kind von türkischen Einwanderern in diesem Land geschafft, mich hochzuarbeiten. Ich kritisiere gerne die Deutschen, aber ich bin hier aufgewachsen, also bin auch ich ein Teil dieser Gesellschaft. Wirklich diskriminiert wurde ich nur bei Radio Bremen, das erste und das letzte Mal in meinem Leben, das schwöre ich.