Hereinspaziert!

»Klimakatastrophe« ist das Wort des Jahres. Soll sie doch kommen! von horst evers

Dienstagmorgen, im Posteingang sind schon wieder drei Mails von der Welt­klimakatastrophe. Langsam wird die echt aufdringlich. Sie kündigt ihr Kom­men an. Für demnächst. Fragt, ob ich sie vom Hauptbahnhof abholen kann. Mist, ausgerechnet vom Hauptbahnhof, der ist doch für sowas gar nicht ge­baut. Na super. Bestimmt will sie dann auch hier wohnen. Schaue mich in der Wohnung um. Na, eigentlich sieht’s ja so aus, als wär die Weltklimakatastrophe schon dagewesen. Weiß echt nicht, ob es ihr hier gefallen würde.

Aber vor allem bin ich eigentlich noch gar nicht in der Verfassung, schon wieder Besuch von einer Katastrophe zu bekommen. Bis vor zwei Wochen hat hier ja noch das Rentenloch gewohnt. Das war anstrengend genug. Stand auf einmal vor der Tür: »Tag, ich bin das Rentenloch, kann ich mal für ’ne Woche hier wohnen? Und: Zack, da saß es auch schon dick im Sessel. Hat dann die ganze Zeit vor sich hingejammert. »Ich bin ein Rechen­feh­ler, eigentlich bin ich nur ein Rechenfehler. Das ist alles nicht meine Schuld, ich wollte das doch nicht. Mich gibt es nur, weil andere sich verrechnet haben. Guck mal hier, ich hab’ schon wieder zugenommen.«

Meine Herren, war dieses Rentenloch ein wehleidiger Geselle! Und immer wollte es mir ein schlechtes Gewissen machen. »Ey Mann, es ist 11 Uhr durch, und Du sitzt hier rum. Geh gefälligst mal in die Stadt raus, mach ordentlich Kinder, denk doch auch mal an mich!« Nicht, dass ich’s dem Rentenloch zuliebe nicht mal versucht hätte. Aber als ich in der Stadt die erste Frau angesprochen habe: Guten Tag, es ist mir auch unangenehm, aber es ist wegen des Rentenlochs, weil das ja immer größer wird, was ja so auch nicht weitergehen darf, also ob sie vielleicht also quasi wir also es wäre dann ja sozusagen ein Akt der Vernunft, da hat die tatsächlich geantwortet: Naja, vor diese Wahl gestellt, findet sie das Rentenloch dann doch irgendwie jetzt auch wieder nicht so schlimm.

Im Herbst hatte ich hier noch die Massenarbeitslosigkeit zu Gast. Aber die hat sich ja mittlerweile irgendwo anders ein kleineres Zimmer gesucht. In meiner Speisekammer haust seit dem letzten Sommer die Lücke in der Pfle­geversicherung. Fühlt sich da pudelwohl. Die Gesundheitsreform dagegen habe ich schon vor Wochen ins Treppenhaus geschickt. Zur Strafe. Die soll sich da erst mal schön über sich selber klar werden. Was sie eigentlich will. Seitdem steht sie da und bewegt sich nicht. Hab’ der Klimakatastrophe dann zurückgemailt: Tut mir leid, aber zurzeit sind hier einfach keine Katastrophenplätze mehr frei, alles belegt. Vielleicht, wenn die Vogelgrippe dieses Jahr kurzfristig absagen sollte, würd’ mich aber nicht drauf verlassen.

Hoffe mal, sie kriegt das nicht in den falschen Hals. So eine Weltklimakatastrophe kann ja sehr aufbrausend und stürmisch sein. Die Gesundheitsreform klopft an die Tür und fragt, ob sie wieder reinkommen darf. Lasse sie rein. Ich mein’, sonst will sie ja doch keiner haben. Und mal ehrlich: Gemessen an der Weltklimakatastrophe ist die Gesundheitsreform dann ja doch eher der angenehmere Mitbewohner.