Zwei Farben Grün

Vermutlich braucht die Hamburger CDU bald einen Koalitionspartner. Wie wär’s mit der Grün-Alternativen Liste? von andreas blechschmidt

Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Nach den übereinstimmenden Prognosen verschiedener Wahlforscher wird die derzeit allein regierende CDU nach der Hamburger Bürgerschaftswahl am 24. Februar einen Koalitionspartner brauchen. Schon umwirbt der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) angestrengt die Hamburger Grün-Alternative Liste (Gal). Er weiß, dass die Zeiten lange vorbei sind, als grüne Politiker glaubten, sich bei der Übernahme von Regierungs­ämtern mit Turnschuhen und Jeans verkleiden zu müssen. Die Frage, ob das Regieren den Verrat an den politischen Zielen bedeutet, ist beantwortet.

Heute treiben die Politikerinnen und Politiker der Grünen ganz andere Probleme um. Für Linda Heitmann, Anwärterin auf ein Bürgerschaftsmandat der Gal, gibt es auf jeden Fall die Regierungsoption. Die 25jährige Studentin findet es »reizvoll zu regieren«. Sie wirkt ein wenig genervt von den Spekulationen um ein schwarz-grünes Bündnis. Die Meldungen der Hamburger Presse, in denen es heißt, über solche Optionen werde sowohl bei der CDU als auch bei den Grünen mit Wohlwollen diskutiert, kennt sie. Zur CDU gebe es noch große Unterschiede, zum Beispiel in der Innen- und Bildungspolitik, auch wenn sich die CDU in anderen Politikbereichen bewegt habe. Man wolle abwarten, was bei den Wahlen im Februar herauskomme, sagt Heitmann, die sich seit drei Jahren vor allem in der Grünen Jugend engagiert hat.

»Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, wie ein Koalitionsvertrag mit der CDU aussehen könnte, dem wir zustimmen«, sagt sie. Trotzdem hat sie sich mit anderen Mitgliedern der Grünen Jugend um »Realpolitik« bemüht und sich kürzlich mit dem Landesvorstand der Hamburger Jungen Union getroffen. »Das war ein wenig steif. Da haben eine Frau und 15 Männer gesessen. Und dann sollten wir einen positiven und einen negativen Aspekt der CDU-Politik benennen. Uns ist aber hauptsächlich nur Negatives eingefallen«, berichtet Heitmann. Am Ende waren aber die Vorbehalte beim Vorstand der Jungen Union wohl größer. Ein von der Grünen Jugend vorgeschlagener gemeinsamer Aufruf an die Jungwähler, sich an der Bürgerschaftswahl zu beteiligen, ging dem konservativen Nachwuchs wohl doch zu weit und kam nicht zustande.

Solche Berührungsängste kennt man im Hamburger Bezirk Altona nicht. Seit vier Jahren arbeiten dort Gal und CDU offiziell in einer Koalition zusammen. Man fragt sich, ob dort schon zusammengewachsen ist, was möglicherweise in ganz Hamburg zusammenwachsen soll. Denn neuerdings setzt sich die Altonaer CDU unter ihrem Vorsitzenden Uwe Szcesny vehement für den Erhalt der im Bezirk gelegenen Bauwagenplätze ein. Zudem haben die beiden verbündeten Parteien im vergangenen März einen gemeinsamen Antrag zur Sicherstellung der Bleiberechtsregelung für bisher nur geduldete Flüchtlinge in die Bezirksversammlung eingebracht.

Bisheriger Höhepunkt der schwarz-grünen Harmonie in Altona war das Angebot der CDU, zum ersten Mal die Wahl eines Grünen zum Bezirks­amts­leiter zu unterstützen. Dieses Ansinnen scheiterte ironischerweise am Widerstand der grünen Parteibasis. Der Kandidat, Jo Müller, war ihr schlicht zu rechts.

Vasco Schulz aus dem Gal-Kreisverband Wands­bek gehört zu den Linken in der Partei. »Ich würde Ole von Beust nie zum Bürgermeister wählen«, sagt er, der sich bei einem guten Wahlergebnis für seine Partei zumindest eine kleine Chance ausrechnet, mit in die Bürgerschaft hineinzurutschen. »Ich bin gegen Fundamentalopposition, für mich kann es aber auch keine Regierungsbeteiligung um jeden Preis geben«, sagt der 31jährige und erklärt damit, was heutzutage Linkssein in der Hamburger Gal bedeutet. Natürlich gebe es auch mit der SPD in vielen Bereichen der Politik Probleme, aber im Falle einer rot-grünen Koalition auch mehr Gestaltungsräume, meint er.

Immerhin hat sein Kreisverband auf der Mitgliederversammlung zur Verabschiedung des Wahlprogramms zur Bürgerschaftswahl einen Antrag eingebracht, auch über eine rot-rot-grüne Koalition zu verhandeln. Das hat die Basis auf Empfehlung des Landesvorstands mehrheitlich abgelehnt. Die Parteivorsitzende Anja Hajduk sagt dazu: »Wenn wir Rot-Grün durchsetzen wollen, dann gibt es keine Stimme zu verschenken an ›Die Linke‹.«

Derart allergische Reaktionen haben ihren Ursprung im Austritt einiger für die Partei wichtiger Bürgerschaftsabgeordneter aus der Gal anlässlich des Kosovo-Krieges im Jahr 1999, die inzwischen zum Teil für »Die Linke« kandidieren. Die grünen Dissidentinnen und Dissidenten gründeten damals aus Protest gegen den Krieg, den ihre Partei auf Bundesebene mitbeschlossen hatte, die Regenbogenfraktion und behielten ihre Mandate bis zur Bürgerschaftswahl 2001. »Mit der Abspaltung von ›Regenbogen‹ sind damals wichtige kritische Geister aus der Partei gegangen. Seitdem hat der neoliberale Reformflügel in der Partei eine Mehrheit«, sagt Vasco Schulz, der mit seiner Basisgruppe »Grüne Linke für Hamburg« dem Trend nach rechts etwas entgegensetzen will. Da gibt es eine Menge zu tun. Programmatisch ist die Gal derzeit zumindest mit den beiden großen Parteien kompatibel. Zwar präferieren die meisten ein Bündnis mit der SPD, doch die gibt derzeit ein ziemlich trostloses Bild ab. Ihr Bürgermeisterkandidat Michael Naumann liegt in Umfragen deutlich hinter von Beust und hinterlässt stets den Eindruck, dass die SPD einfach keinen Besseren für den Posten gefunden hat.

Mit ihrem Leitbild der »kreativen Stadt« verbreitet die Gal allenfalls eine etwas ökologischere Variante der offiziellen Propaganda des Senats von der »wachsenden Stadt«. Paradigmatisch heißt es bei den Grünen unter anderem: »Die Kreative Stadt transportiert aber nicht nur Hoffnungen, sondern auch Risiken und Herausforderungen. Die Risiken liegen in der wachsenden Eigenverantwortlichkeit der Individuen, die die fortschreitende Erosion der sozialen Sicherungssysteme verursacht. Die Herausforderung liegt darin, dieses Risiko mit der eigenen Kreativität zu überwinden.« Die schlichte Hinnahme neoliberaler Deregulierung ist das deutliche Signal der Gal an die Handelskammer und den Wirtschaftsflügel der CDU, dass sie im Falle eines schwarz-grünen Bündnisses von ihrer Seite nicht allzu viel Widerspenstigkeit zu befürchten hätten.

Als hätte sich die Gal nicht schon in der Vergangenheit, in rot-grünen Bündnissen, als hinreichend »politikfähig« erwiesen. So trug sie etwa zur Vernichtung des Biotops »Mühlenberger Loch« für die Erweiterung des Airbuswerks, zum Verkauf der Hamburger Elektrizitätswerke und zur Einführung der Verabreichung von Brechmitteln bei mutmaßlichen Dealern bei.

Die CDU setzt ihrerseits im Bezirk Altona Zeichen. Bürgermeister Ole von Beust markiert darüber hinaus seit Monaten den obersten Klimaschützer der Stadt, während er sich beim Thema Innenpolitik vorsichtshalber in staatsmännischem Schweigen übt. Die energischsten Kritiker eines schwarz-grünen Bündnisses finden sich demnach vermutlich nur noch an der schwarzen und der grünen Parteibasis.