Haufen bilden am Rande des Bibelgürtels

Mit dem Caucus im US-Bundesstaat Iowa begannen die Vorwahlen in den USA. Während es bei den Demokraten mit Obama und Clinton zwei klare Favoriten gibt, suchen die Republikaner noch nach einem akzeptablen Kandidaten. von william hiscott

Es ist eine kuriose Veranstaltung: Pünktlich um 19 Uhr fangen in tausenden von Schul- und Univer­sitätsgebäuden, Kirchen und öffentlichen Versammlungsorten überall in Iowa Parteikonferenzen (caucuses) statt, auf denen die versammelten Bürgerinnen und Bürger des Agrarstaates im Mittleren Westen ihre Präferenzen für die jewei­ligen Präsidentschaftskandidaten bekanntgeben. Bei den Demokraten geht es umtriebiger zu als bei den Republikanern. Während diese nur ein Vo­tum abgeben, müssen die Anhänger der verschie­denen Kandidaten bei den Demokraten getrennte Haufen in verschiedenen Ecken der Caucus-Räume bilden. Die letzten Unentschiedenen bleiben in der Mitte des Raumes stehen und werden durch Zurufe und allerlei Überredungskünste zur Auswahl bewegt.

Die Unterstützer des Kandidaten Barack Obama bildeten am Ende des Donnerstagabends der vergangenen Woche den größten Haufen. Fast 38 Prozent der insgesamt 226 000 Teilnehmer vo­tierten für den afroamerikanischen Senator aus dem Nachbarstaat Illinois. Ein Achtungserfolg ge­genüber der lange Zeit als Favoritin angesehenen Senatorin aus New York, Hillary Clinton, die mit 29,5 Prozent der Stimmen knapp hinter John Edwards, einen ehemaligen Senator aus North Ca­rolina, auf den dritten Platz zurückfiel. Kaum mehr als zwei Prozent der Wähler entschieden sich für Bill Richardson, den Gouverneur von New Mexico und außenpolitischen Krisenmanager der Demokraten, die Senatoren Joe Biden und Chris Dodd schnitten so schlecht ab, dass sie noch am gleichen Abend ihre Wahlkämpfe beendeten.

Bei den Demokraten bedeutet dies für die Zeit bis zum so genannten Super Tuesday am 5. Fe­bruar, dem Tag, an dem über 20 der 50 Bundesstaaten ihre Kandidaten aus­suchen, dass nur drei Kandidaten übrig bleiben: Obama, Clinton und Edwards. Edwards Chancen sind jedoch recht gering. Fast anderthalb Jahre lang bereiste er haupt­sächlich Iowa, um dort Unterstützung zu gewinnen. Beim Aufbau einer alle Bundesstaaten umfassenden Wahl­kampf­orga­ni­sa­tion ist er im Nachteil, denn während für Obama und Clinton eine mit jeweils 100 Millionen Dollar gefüllte Wahlkampfkasse bereit steht, verfügt Edwards nur über ein Drittel dieser Summe.

Eine Vorentscheidung ist der Caucus in Iowa ei­gentlich nicht. Die offizielle Nominierung der Präsidentschaftskandidaten findet auf den Partei­tagen im Spätsommer statt, zu denen sich mehr als 2 000 Delegierte einfinden werden. Bevölkerungsarme Bundesstaaten wie Iowa entsenden nur wenige Delegierte, deren Zahl bei den Demokraten überdies proportional zum Wahlergebnis berechnet wird. Überraschend erfolgreiche Kandidaten können allerdings hoffen, dass der Vorwahlkampf in Iowa ihnen einen psychologischen Vorteil verschafft, der sich auch auszahlt. »Wenn man in Iowa gewinnt, fließt das Geld«, glaubt Ed­wards. »Es wird reichlich Geld für die Kampagne geben.«

Obama hat nun zwar über Clinton triumphiert, doch ob der von ihm und seinen Wahlkampf­mana­­gern am Abend in Iowa immer wieder beschworene Schwung nun bis zum Super Tuesday bei­behalten werden kann, ist eine andere Frage. Schließlich hat es in all den Wahlkämpfen, in denen Iowa seinen Caucus als erster Bundesstaat abhielt, bislang nur einer, der dort gewann, auch tatsächlich ins Weiße Haus geschafft. Das war Jimmy Carter im Jahr 1976. Doch wenn Obama im Januar auch die Vorwahlen in New Hamp­shire und South Carolina gewinnt, könnte es für Clinton schwierig werden.

Wie Bill Clinton 1992 stilisiert sich Obama zum Kandidaten der Hoffnung und des Wandels. Er verdankt seine in den vergangenen Wochen immer besseren Umfrageergebnisse weniger dem ungeschickten Taktieren des Stabs von Clinton als vielmehr dem Einsatz von Oprah Winfrey. Die Moderatorin der erfolgreichsten Talkshow in der US-Fernsehgeschichte, Medienmogulin und Milliardärin gilt dem Magazin Life als »mächtigste Frau der USA«. Im Dezember ging sie mit Obama auf Wahlkampftour.

Während es bei den Demokraten zwei klare Favoriten gibt, ist die Lage bei den Republikanern komplizierter. Nach wie vor führt Rudy Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von New York City, in den landesweiten Umfragen. Doch schon vor Monaten entschied er sich, überhaupt nicht am Caucus in Iowa teilzunehmen. Daher sah vor allem der in den Umfragen momentan zweitplatzierte Mitt Romney, ehemaliger Gouverneur von Massachusetts, eine Chance für sich. Er bezahlte mehrere Millionen für Werbespots und bemühte sich um eine effektive Wahlkampforganisation, doch errang er beim Caucus nur 25 Prozent der 120 000 abgegebenen Stimmen.

Gewonnen hat mit 34 Prozent ein vor kurzem noch unbekannter ehemaliger Gouverneur aus Arkansas, Mike Huckabee. Der Baptistenprediger verdankt seine politische Karriere indirekt den Clintons, da er Mitte der neunziger Jahre infolge eines spät enthüllten Skandals aus Bill Clintons Zeit als Gouverneur von Arkansas an die Macht kam. Ohne nennenswerte finanzielle Unterstützung fiel Huckabee lange Zeit eigentlich nur durch seinen Humor, seine Abmagerungskur, die ihn um 55 Kilogramm leichter machte, und als Bassist der Band »Capital Offense« auf. Doch in Iowa, am Rand des so genannten Bible Belt, galt er offen­bar als Alternative zu Romney.

Romney gibt sich zwar als standfester Erzkonser­vativer und Repräsentant von Law and order, hat jedoch für die evangelikalen Wähler der Partei einen Makel. Als Anhänger der Mormonen ist er christlich-fundamentalistischen Republikanern suspekt, insbesondere dann, wenn innerpartei­liche Konkurrenten auf ihre konventionelle christ­­liche Konfession verweisen. Genau das tat Hu­cka­bee in den Wochen vor dem Caucus, zuletzt durch eine Wahlwerbung, die ihn als guten Prediger vor christlichen Symbolen zeigt.

Ebenfalls für Law and order steht Fred Thompson, Schauspieler in der gleichnamigen Fernsehserie und ehemaliger Senator von Tennessee. An­fänglich wurde er von vielen als Retter der repu­blikanischen Partei angesehen, als Repräsentant konservativer Werte, der ordnungsliebende eben­so wie religiöse Wähler anziehen kann. Doch nur 13 Prozent votierten für ihn. Am Abend des Caucus betonte er, dass er weitermachen werde, doch galt der verhaltene Ton schon als Indiz dafür, dass er bald aussteigt – wie schon eine Reihe republikanischer Mitbewerber vor ihm.

Erfolglos blieb auch Senator John McCain, der sich jedoch als in religiöser Hinsicht Liberaler in Iowa ohnehin keine großen Chancen ausrechnen konnte. Er hofft auf Erfolge bei den Vorwahlen im eher säkularen New Hampshire und am Super Tuesday. Wenn er es schafft, in dieser Zeit die Vorwahlen bei den Republikanern zu einem Konkurrenzkampf zwischen ihm, Giuliani, Romney und Huckabee zu stilisieren, wäre es durchaus mög­lich, dass die Partei ihn nominiert. Es mangelt ihm zwar an Glamour, aber auch an offensicht­lichen Schwächen, er gilt als gestandener Kriegsheld und trotz seiner langen politischen Tätigkeit in Washington als ehrlich.

Alle Konkurrenten McCains haben ihre Schwächen. Mit seinem forschen christlichen Auftreten und seiner offensichtlichen Ahnungslosigkeit in Sachen Außenpolitik – er vermutet Afghanistan an der Ostgrenze Pakistans – dürfte es Huckabee bei den so genannten Mainstream-Republikanern schwer haben. Botschaften wie seine sind auch für viele Konservative allzu schlicht: »Betet etwas mehr, arbeitet etwas härter, spart, seid geduldig und lebt nicht über eure Verhältnisse.«

Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass Giuliani ein Macho ist, der keinen Widerspruch duldet und als Bürgermeister die Steuerzahler für die polizeiliche Betreuung seiner damaligen Geliebten aufkommen ließ. Auch sein Image als erfolgreicher »Krisenmanager« des 11. September hat gelitten. Ihm wird nun die Schuld am Tod hun­derter Feuerwehrleute gegeben. Beim ersten Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 1993 hatte die Feurwehr beim Einsatz in den Türmen keine Funkverbindung. Guilani behob das Problem nicht, zudem richtete er das Krisenma­nage­ment­zentrum nicht, wie Experten empfahlen, in Brooklyn ein, sondern im World Trade Center. Mit einem funktionstüchtigen Funksystem, so argumentieren die Angehörigen, hätte man die Feuerwehrleute rechtzeitig zurückrufen können.

Die Republikaner haben ihr Problem, einen nicht nur bei bestimmten Wählergruppen populären Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zu finden, noch nicht lösen können. Unwiderruflich aber neigt sich die Ära George W. Bush dem Ende zu. Seine Kontrolle über die Politik in Wa­shing­ton und vor allem über seine Partei schwindet. Denn alle vier Jahre wird nicht nur ein neuer Präsident gewählt, auch die politische Klasse formiert sich neu um die jeweiligen Kandidaten. Informelle Informations- und Entscheidungskanäle, die seit dem Wahlkampf des Jahres 2000 zu Bush und seinem Stellvertreter Dick Cheney führen, brechen schlicht irgendwann ab. Später im Jahr, wenn auch noch der Wahlkampf beginnt, kommt schließlich die Politik in Washington weit­gehend zum Stillstand. Den meisten US-Amerikanern ist das offenbar recht. Einer Umfrage von Newsweek zufolge wünschen sich fast 60 Prozent der Bevölkerung bereits jetzt das Ende von Bushs Amtszeit.