Between God and gays

Kein Präsidentschaftskandidat der Repu­bli­kaner hat derzeit eine solide Mehrheit unter den Wählern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass unter konservativen Meinungsmachern heftige Auseinandersetzungen um die Politik der Partei stattfinden. von richard gebhardt

Der politisch korrekte Tugendterror gilt in den Vereinigten Staaten traditionell als Waffe der Linken – der hedonistischen, Café Latte trinkenden limousine liberals der Ostküste –, als Zensurmittel der progressiven College-Lehrer, versnobten Clinton-Anhänger, subkulturellen Campus-Aktivisten sowie der anderen Irrläufer des American Way of Life. Es zählt zum Selbstbild der rechten Meinungsmacher in den USA, als Dissident gegen »Sprechverbote« zu sein und sich aufgrund konser­vativer Positionen zu Homo-Ehe, Abtreibung, privatem Waffenbesitz, illegaler Einwanderung und Evolutionslehre von den Bush-Bashern und »Gutmenschen« verfolgt zu sehen. Ein Wahlkampf ist für die Mehrheit der konservativen Spin-Doctors immer auch ein Kulturkampf gegen die liberals.

Diese Technik der monströsen Überdimensionierung des politischen Gegners war stets ein wichtiges Propagandamittel in den vergangenen Wahlkämpfen, zu deren Dramaturgie seit der Studentenrevolte die Ausrufung eines Kulturkampfs um god, guns and gays sowie die nationale Sicherheit des Landes gehörte. Dieser ideologisch aufgeladene Politikstil hat sich nicht geändert, allerdings gerieten vor den Primaries am Super Tuesday ausgerechnet zwei republikanische Kandidaten in die Kritik: Senator John McCain (Arizona) und der Baptistenprediger und ehemalige Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee.

Huckabee steht für einen »sozialpopulistischen« Kurs, McCain für eine Kritik an der kapitalfreundlichen Steuersenkungspolitik der Regierung Bush, für die Beachtung internationaler Standards bei der Behandlung von Kriegsgefangenen und eine moderne Klimaschutzpolitik. McCain und Huckabee vertreten zeitweise auch moderate Positionen im Streit um den Status der illegalen hispanischen Tagelöhner in den USA. Das brachte McCain eine Wahlempfehlung der New York Times ein. Doch die Verdienste, die ihm das Leitmedium der US-Liberalen anrechnet, klingen für die Parteirechten so, als handle es sich bei McCains Politik um eine Kopie der Clinton-Agenda. Konservative Hardliner wie der ehemalige Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, Tom DeLay, werfen »Amnesty John«, wie der katholische Fundamentalist Pat­rick J. Buchanan Senator McCain nannte, »Verrat« an den Prinzipien der Partei vor.

Huckabee »klingt mehr nach John Edwards als John Edwards selbst«, sagte beispielsweise der republikanische Parteistratege Dick Armey dem ultrakonservativen Magazin American Conservative. Der populäre Radiomoderator Rush Limbaugh meinte sogar, eine Nominierung von Huckabee und McCain könne die Grand Old Party der Republikaner (GOP) zerstören. Zwar richten die Wächter des Tugendkatalogs der conservative correctness ihre Tiraden derzeit bevorzugt gegen »Abweichler« in den Reihen der Republikaner, allerdings gelingt es ihnen nicht mehr, sich die Gefolgschaft der Wähler bei den Primaries zu sichern. Selbst im evangelikalen und erzkonservativen South Carolina konnte McCain am Samstag die Vorwahl für sich entscheiden.

Das im Wahlkampf allgegenwärtige Motiv des change macht auch vor der republikanischen Partei nicht halt, in der heftige Flügelkämpfe stattfinden. Noch 2004 gelang es Bushs Chefstrategen Karl Rove, die alte Reagan-Koalition aus Fiskalkonservativen, »Falken« und evangelikalen Christen zu erneuern. Durch die Beschwörung von Familie, Vaterland und Religion sowie eine höchst effektive, religiöse Basisarbeit konnten auch viele wertkonservative Lohnabhängige integriert werden. Am Ende der Ära Bush scheint dieses Bündnis geschwächt. »The Party’s Over« titelte das Magazin Newsweek.

Hauptgrund für die derzeitige Krise der Republikaner ist das schwierige Erbe der Ära Bush: Der Irak-Krieg, die zahlreichen Rücktritte innerhalb der Bush-Administration, die anhaltende Schwäche des Dollars sowie die für viele Angehörige der Mittelschicht ruinöse Immobilienkrise sind die Stichworte der Debatten über das Vermächtnis von George W. Bush. Symptomatisch ist, dass mehr als 15 republikanische Kongressmitglieder in Finanz- oder Sexskandale verwickelt waren. Dies blieb für die puritanische Stammklientel nicht ohne Wirkung. Für den Wahlkampf konnten die Kandidaten der Republikaner mit 168 Millionen Dollar nur zwei Drittel der Mittel sammeln, die die Demokraten zusammenbekamen.

Überraschend viele Spenden erhielt dagegen die Kampagne des radikalliberalen Bush-Kritikers Ron Paul. Die Anhänger dieses texanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus vernetzen sich vor allem in der Bloggersphäre. In virtuelle Basisarbeit konnten seine Unterstützer Spenden im zweistelligen Millionenbereich sammeln. Paul, der bei den Vorwahlen in Nevada überraschend auf den zweiten Platz kam, ist der schillerndste Kandidat der GOP. Als Isolationist ist er einer der Wortführer der konservativen Gegner des Irak-Kriegs. Seine innenpolitischen Positionen konzentrieren sich auf die radikale Deregulierung des Staats sowie die rabiate Abwehr illegaler Einwanderer durch private Grenzschützer.

Vor dem Super Tuesday stehen sich in der GOP zwei Strömungen gegenüber: Die Mehrheit der Parteirechten bevorzugt den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, der in vielen Punkten konservative Identifikationsmöglichkeiten bietet: Er ist gegen Abtreibung und die Homo-Ehe, für die Lehren des Kreationismus, einen deregulierten öffentlichen Sektor und die Abwehr von illegalen Arbeitern. Für die Anhänger der Republikaner stehen wirtschaftliche Themen im Mittelpunkt des Wahlkampfs und Romney werden Qualitäten als »Krisenmanager« attestiert. Jedoch hat der von der National Review zum Favoriten gekürte Ex-Manager einen Makel. Als Mormone stößt er bei der evangelikalen Basis auf Vorbehalte.

Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani ist die prominenteste und am meisten polarisierende Figur in der Partei. Seinen gesellschaftspolitischen Liberalismus kompensiert er durch einen scharfen innen- und außenpolitischen Militarismus. Noch Ende 2007 sah es für viele Beobachter nach einem Zweikampf zwischen Hillary Clinton und Rudy Giuliani aus. Im vergangenen Juni hatte Giuliani bei einem Empfang in Pat Robertsons evangelikaler Regent University stehende Ovationen erhalten. Sein Team feierte diesen Beifall als Indiz für einen temporären Frieden zwischen religiösen und säkularen Konservativen.

Um Eintracht in der GOP herzustellen, wäre ein klarer Vorwahlsieg der Hassfigur Hillary Clinton wichtig. Doch angesichts der Obamania mangelt es den Republikanern an einer Figur, von der sie sich abgrenzen können. Giulianis Wahlkampfstab entschied sich für die riskante Strategie, alle Kräfte auf die Vorwahlen in Florida zu konzentrieren. In der Berichterstattung der vergangenen Wochen spielte Giuliani deshalb zunächst eine Nebenrolle. Aufregung konnte er bislang vor allem unter seinen innerparteilichen Gegnern erzeugen, die ihm im American Conservative wegen seiner Teilnahme an New Yorker Gay-Pride-Paraden Verrat an der Partei vorwerfen. Nun fehlt den Republikanern zur Einigung ein ebenso polarisierender wie einigender demokratischer Gegner. Bis zu dessen offizieller Kür findet der Wahl- und Kulturkampf der Republikaner in den eigenen Reihen statt.