Wir können auch anders

Immer mehr Musiker verabschieden sich von Majorlabels und vermarkten sich lieber selbst. Eine Alternative ist das Sub­skriptionsmodell der Einstürzenden Neubauten. gastkommentar von alexander hacke

Die Musikindustrie ist für ihren Niedergang größ­tenteils selbst verantwortlich. Als Mitte der achtziger Jahre die CD erfunden wurde und Plattenfirmen ihre gesamten Backkataloge auf dem neuen Medium wieder veröffentlichen konnten, wurde es versäumt, die immensen Umsätze in die Zukunft zu investieren. In ihrer unermesslichen Gier übersehen sie bis heute, dass sich längerfristig wertvolles Repertoire nicht in Form von einmaligen, schnellen Charterfolgen akkumulieren lässt.

Künstler müssen entdeckt, über einen längeren Zeitraum aufgebaut und gefördert werden. Doch das hat die Musikindustrie vergessen. Wer versagt und es nicht schafft, innerhalb kürzester Zeit die Kassen der Plattenfirmen zu füllen, wird schnell wieder abgesägt. In diesem Sinne wird nicht nur die Hörerschaft erzogen. Vielmehr ist es auch keinem halbwegs talentierten Newcomer zu wünschen, dass er ins Blickfeld der Industrie gerät, denn eine Kariere, die sich von der industriellen Vermarktung abhängig macht, hält mitt­lerweile selten länger als ein Quartal.

Vor noch nicht all zu langer Zeit war mit dem Abschluss eines Plattenvertrags auch so etwas wie wirtschaftliche Sicherheit verbunden. Es gab den so genannten Tour-Support. Das waren Gelder, die als Puffer zur Verfügung gestellt wurden, um während einer Tournee, die vor allem dazu diente, die Veröffentlichung zu bewerben, gegen mögliche finanzielle Ausfälle gewappnet zu sein. Auch wenn diese Summe den Bandmitgliedern bei der nächsten Abrechnung wieder abgezogen wurde, konnte man zumindest sicher sein, dass der Strom nicht abgestellt war, wenn man nach Hause kam. Heutzutage gibt es nicht nur keinen Tour-Support mehr, sondern viele Künstler müssen ihrer Plattenfirma sogar eine Beteiligung an den erwirtschafteten Gagen zahlen.

Diese Entwicklungen haben die Einstürzenden Neubauten 2002 dazu bewogen, andere Wege zu gehen. Die letzten Platten wurden im Rahmen eines Subskriptionsmodells produziert, bei dem der Endabnehmer die Arbeit vorab finanziell unterstützt. Mit diesem Supporter-Projekt kann auf die Vermittlerfunktion der Musikindustrie verzichtet werden. Dieses Modell wurde bereits seit längerem erfolgreich im Verlagswesen erprobt.

Der Supporter hat einige Vorteile, so kann er sich beispielsweise mit den Bandmitgliedern via Webcasts, Chatrooms und Messageboards über ihre Arbeiten austauschen und braucht sich nicht in die Gefahr zu begeben, Musik illegal downzuloaden. Gleichzeitig braucht die Band nicht mit abgeklärten Repräsentanten der Musikindustrie über Vermarktungsstrategien spekulieren. Abgezogen werden wir alle überall, aber durch die Möglichkeiten der Verbreitung durch das Supporter-Modell, die das Internet bietet, ist gewährleistet, dass Musik, die nicht dem Mainstream entspricht, überhaupt noch produziert werden kann.

Alexander Hacke ist Bassist der Einstürzenden Neubauten