Wahltag ist Zahltag

Die NPD hat bei den Landtagswahlen so schlecht abgeschnitten, dass ihre Vorherrschaft in der extremen Rechten schwinden könnte. von jan langehein

Die Welt ist nicht nur schlecht. Manche erfreu­lichen Ereignisse werden bloß kaum wahrgenommen. So ging in der Aufregung um Roland Kochs Attacken gegen »kriminelle Ausländer« und die Landtagswahlen in Hessen und Nieder­sachsen fast unter, dass neben der »Linken« noch eine andere Partei ihre »West-Erweiterung« versucht hatte, aber grandios scheiterte: die NPD.

In Hessen setzte die Partei auf ihre klassischen Themen vergangener Tage, das heißt auf eine bieder-rassistische Hetze gegen »Überfremdung«. An der Spitze der Landesliste stand die Partei­vete­ranin Doris Zutt, die sich »stark für deutsche Familien« einsetzen wollte, seit 26 Jahren aktiv in der NPD und als eine von zwei Frauen Mitglied im 21köpfigen Bundesvorstand. Ansonsten wurde die Landesliste der Partei dominiert von Jungs, die aussehen, als hätten sie sich die Haare bloß für die Wahlkampffotos auf ein paar Zentimeter Länge wachsen lassen. Entsprechend klangen auch ihre Werbeslogans: »Frankfurt muss wieder deutsch und sicher werden.« (Jörg Krebs, »steht für Sicherheit und Ordnung«) Oder: »Wir wollen von der Gesellschaft zur Volksgemeinschaft.« (Mar­cel Wöll, Landesvorsitzender, »wird sich um Ausländerrückführung und soziale Gerechtigkeit küm­mern«).

Die hessischen Wähler konnte man damit offen­bar nicht sonderlich begeistern: Von rund 4,4 ­Millionen Wahlberechtigten machten 24 000 ihr Kreuz­chen für die NPD. Das reichte für gerade ein­mal 0,9 Prozent der Stimmen.

Mehr Hoffnung hatte sich die NPD in Nieder­sachsen gemacht, wo sie mit dem studierten His­toriker Andreas Molau an der Spitze antrat. Molau war Redakteur der neurechten Zeitung Junge Freiheit und schwadroniert lieber über Nietzsche und Hegel, statt »Ausländer raus!« zu brüllen. Zu­dem wirkt er im Gegensatz zu seinen hessischen Kameraden geradezu seriös und verfügt auch über einen gewissen Bekanntheitsgrad. Ende des Jahres 2004 hatte er seinen Job als Lehrer an der Braunschweiger Waldorfschule verloren, nach­dem seine Mitgliedschaft in der NPD bekannt geworden war. Durch die Medien ging vor allem die Entscheidung der Schulleitung, auch seine Kinder vor die Tür zu setzen – was Molau damals mit dem Vorwurf der »Sippenhaft« quittierte.

Diese öffentliche Aufmerksamkeit reichte, um das einfache Parteimitglied in den Bundesvorstand zu bringen. Im vergangenen Jahr sorgte Mo­lau, gleichsam zum vorgezogenen Wahlkampfauftakt, erneut für Aufsehen, als er die Waldorfpädagogik trotz seines Rauswurfs als »gute deutsche Sache« lobte und ankündigte, ein »Waldorflandschulheim für national gesinnte Familien« eröffnen zu wollen. Das brachte ihm eine Klage vom Verband der Waldorfschulen ein und eine Er­wähnung in der Tagesschau – von der selbst Udo Voigt als Vorsitzender der NPD bekanntlich meist nur träumen kann.

Indes halfen weder Molaus relative Prominenz noch der vergleichsweise bürgerliche Wahlkampf der niedersächsischen NPD beim Stimmensammeln. Hatte sie vorher noch getönt, »Wahltag ist Zahltag«, reichten trotz der besonders geringen Wahlbeteiligung von 57 Prozent ihre knapp 53 000 Stimmen nur für 1,5 Prozent. Der Achtungserfolg von 5,1 Prozent im Provinzkaff Bad Lauterberg ist wohl darauf zurückzuführen, dass sich die Par­tei in der Schlussphase des Wahlkampfes fast ausschließlich auf den Harz konzentriert hatte (Jungle World, 3/08). Diese Strategie dürfte allerdings schon der Erkenntnis entsprungen sein, dass die Kräfte nicht für das ganze Land reichen würden – der Wahlkampf war bereits zum Desaster geraten.

Symptomatisch für das Scheitern war ein geplatzter Wahlkampfauftritt in Göttingen. Dort wollte Molau im noblen Hotel Gebhardts aus seinem »Roman« vorlesen – einer autobiografisch geprägten nationalen Erweckungsschmonzette (320 Seiten, »mit Goldprägung«). Göttinger Antifas hatten von der Lesung Wind bekommen und erschienen als erste Gäste im holzgetäfelten Salon. Nachdem Molau kurz darauf mit einigen Anhängern aus dem Kameradschaftsspektrum erschien und sich ängstlich in einer Ecke verkroch, wurde schnell klar, dass die »Kulturveranstaltung« ausfallen würde. Statt der Fans von Molau kamen immer mehr Antifas, sie enterten den Saal durch die Fenster, während draußen eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei aufzog. Am Ende eskortierten die Beamten Molau samt Anhang aus der Stadt, und die Antifa bekam freien Abzug – unter dem Applaus der Hotelleitung, die offenbar keine Ahnung hatte, wer sich da als Autor angekündigt hatte.

Die Polizei wirft die NPD aus der Stadt, und die Leitung eines Fünf-Sterne-Hotels applaudiert den Autonomen für die Besetzung eines Salons – kein Wunder, dass sich Molau in seiner Wahl­ana­lyse bitter beklagte: »Wir haben einen dramatischen Verfall der demokratischen Sitten erlebt.« Dass die NPD vom Staat im Wahlkampf behindert wurde, ist zwar richtig, allerdings beileibe nicht der entscheidende Grund für ihr Scheitern. Eher schon ist Molau Recht zu geben, wenn er sich über zu wenig Personal beklagt. Tatsächlich verfügt die NPD in Niedersachen und Hessen nicht ansatzweise über eine Infrastruktur wie etwa in Sachsen.

Noch wichtiger ist aber ein Punkt, den Molau in seiner Analyse nicht erwähnt hat: Anders als im Osten ist die NPD im Westen vollständig isoliert; über ihre eigene Klientel hinaus gilt sie als unwählbar. Wie im Osten versuchte sie, bei denen Sympathien zu gewinnen, die als »Modernisierungsverlierer« den etablierten Parteien nicht mehr trauen. Dies ist aber erst recht zum Scheitern verurteilt, seit die ehemalige PDS durch ihre Fusion mit der Wasg auch im Westen wählbar geworden ist und die Klientel sehr erfolgreich für sich gewinnt. Nach Informationen der ARD wählten 26 Prozent der Arbeitslosen in Nieder­sachsen »Die Linke«, in Hessen waren es 15 Prozent.

Mit dem Scheitern der »West-Erweiterung« ist die NPD erstmals seit ihrem Wahlsieg in Sachsen geschwächt. Ihre rechtsextremen Kritiker, die lange erledigt schienen, ahnen ihre Chance. Der Hamburger Kameradschaftsführer Christian Worch etwa hielt der NPD vor, sie dürfe über den »Kampf um die Parlamente« den »Kampf um die Straße« nicht vergessen. Die bundesweite Vor­herrschaft der NPD in der extremen Rechten scheint zumindest im Westen in Frage gestellt.