Alle Macht den Rektoren!

In Sachsen liegt der Entwurf für ein neues Hochschulgesetz vor. Danach verlieren demokratische Gremien an Macht oder werden ganz abgeschafft, während Unternehmen und Rektoren an Einfluss gewinnen. von hannes delto

Studierende haben immer etwas zu meckern: Studiengebühren wollen sie nicht, dafür mehr Bafög und bessere Studienbedingungen. Derzeit regt sich schon wieder Protest. An der Universität Münster versuchten Anfang Februar einige von ihnen, die Wahl des neuen Hochschulrats zu verhindern. Etwa zur gleichen Zeit besetzten Studierende der Universität Bonn das Rektorat und verhinderten dort vorerst die Ernennung der Mitglieder des Hochschulrats. Bereits Ende des vergangenen Jahres weigerten sich Studierende der Friedrich-Schiller-Universität Jena, an den Sitzungen des Hochschulrats teilzunehmen, da das thüringische Hochschulgesetz für sie ohnehin kein Stimmrecht in diesem Gremium vorsieht. In Sachsen protestierten im Dezember rund 10 000 Studierende, Professoren, Dozenten und Vertreter von Gewerkschaften gegen das neue sächsische Hochschulgesetz, das den Hochschulen zwar mehr Autonomie suggerieren soll, ihnen tatsächlich aber vor allem weniger demokratische Entscheidungsstrukturen zugesteht.

Mit der geplanten Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes wollte der Staat die Hochschulen eigentlich in die Autonomie entlassen. Stattdessen schaffen die Landesregierungen neue Gesetze, die vor allem eine hohe »Effizienz« versprechen, damit die Hochschulen im »Wettbewerb« untereinander bessere »Chancen« haben. Bewusst wird in Kauf genommen, dass Entscheidungen von immer weniger Personen getroffen werden, viele sogar von den Rektoren allein.

»Es werden interne Strukturen geschaffen, die eine klare Verantwortungsteilung zwischen Administration, strategisch wissenschaftlichen Angelegenheiten und Controlling ermöglichen. Sachsens Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, in dem globalen Wettbewerb zu bestehen«, erläutert Eva-Maria Stange (SPD), die sächsische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, der Jungle World. Da sind zum Beispiel die neuen Hochschulräte, denen mehrheitlich externe »Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und beruflicher Praxis« angehören sollen, wie es im Gesetzentwurf heißt. Diese Gremien nach dem Vorbild von Aufsichtsräten in Kapitalgesellschaften bekommen zahlreiche Aufgaben übertragen, die vorher Sache der Hochschulen selbst waren, beispielsweise die Entwicklungsplanung, die strategische Ausrichtung oder das Vorschlagsrecht bei der Wahl des Rektors. Damit wächst die Abhängigkeit von den Unternehmen (Jungle World, 38/07).

Dagegen soll das Konzil, dem das Rektorat Rechenschaft schuldig war, abgeschafft werden. In den vergangenen Jahren habe sich das Konzil, dem neben der Universitätsleitung Vertreter der Professoren, des Mittelbaus und der Studierenden angehören, »zunehmend als zu schwerfällig und damit ungeeignet zur Lösung der anstehenden Aufgaben« erwiesen, heißt es lapidar in der Begründung des Gesetzes.

»Das Konzil ist das Parlament einer Hochschule, wo die demokratische Willensbildung erfolgt, die Grundlinien der weiteren Entwicklung der Hochschule diskutiert werden und vor allem der Dialog zwischen den Generationen und zwischen den einzelnen Disziplinen stattfindet. In diesem Gremium entsteht die besondere Identität und das Selbstverständnis einer Hochschule«, meint Cornelius Weiss (SPD), der ehemalige Rektor der Universität Leipzig. Er trat im September vorigen Jahres als Fraktionsvorsitzender der sächsischen SPD zurück, weil er das Gesetz, das er als »Irrweg« bezeichnet, nicht mittragen wollte. Seine Partei akzeptiert es inzwischen größtenteils.

Nachdem die Frage, wer künftig der Arbeitgeber der Beschäftigen an der Hochschule sein soll, im Spätsommer vorigen Jahres eine Koalitionskrise ausgelöst hatte, einigten sich CDU und SPD auf ein dreijähriges Modellprojekt für die Technische Universität Dresden. Demnach darf die Universität als Arbeitgeberin ihrer akademischen und sonstigen Mitarbeiter auftreten, nach einem Jahr selbst die Gehälter aushandeln und eigene Tarifverträge abschließen. Die Gewerkschaften befürchten, auf diese Weise werde mittelfristig die Tarifbindung an allen Hochschulen gefährdet.

»Die Flucht aus dem Flächentarif durch die Personalautonomie wird Verteilungskonflikte verschärfen, Unsicherheiten sowie einen ungleichen Wettbewerb erzeugen und Ressourcen der Hochschule für interne Tarifrunden binden«, erläutert Jens Festersen, Gewerkschaftssekretär von Verdi Sachsen, der Jungle World. »Bisherige Haustarifverträge in ehemals öffentlichen Dienststellen liegen rund 15 bis 30 Prozent unter dem vorherigen Niveau.« Bei gleich bleibenden Zuwendungen des Staates bekämen dann womöglich einige wenige mehr, was bei vielen anderen eingespart werden müsse. Festersen bezweifelt daher die von der CDU und der SPD erwartete »Exzellenz« für die Hochschulen.

Während die Jusos einen Antrag auf sofortige Einstellung des Gesetzfindungsprozesses einreichen werden, sind sich die Landtagsfraktionen der Grünen und der Linkspartei darin einig, dass Sachsen die Chance auf eine Demokratisierung der Hochschulen verpasst habe. Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, dass mit dem neuen Hochschulgesetz Demokratie an den Hochschulen abgebaut und ihre Selbstverwaltung keineswegs gestärkt werde. Es sei vielmehr eine Hochschulautonomie notwendig, die die gesellschaftliche Verantwortung und die breite und gleichberechtigte Mitwirkung aller Hochschulmitglieder bewahre. Mit ihrer Wissenschaftsministerin, die auch Mitglied der GEW ist, dürfte die Gewerkschaft nicht zufrieden sein. Stange sagt: »Hochschulen sind gerade im Osten Motoren der gesellschaftlichen Entwicklung. Meiner Meinung nach hat Sachsen mit dem neuen Entwurf ein gutes Hochschulgesetz, das den Hochschulen konkrete Verantwortungen gibt.«

Seit die sächsische Landesregierung den Entwurf des Gesetzes am 29. Januar öffentlich vorgelegt hat, fürchten immer mehr Studierende um ihre Mitspracherechte. Bei einer spontanen Versammlung an diesem Tag vor der Staatskanzlei in Dresden skandierten rund 50 Studierende unter anderem: »Alle wollen dasselbe, Milbradt in die Elbe«. Denn der sächsische Ministerpräsident, Georg Milbradt (CDU), ist ihrer Ansicht nach für das neue Hochschulgesetz mitverantwortlich. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtete, habe er schließlich vorigen Sommer auf einer Veranstaltung in Chemnitz unter dem Motto »Bildungspolitik des 21. Jahrhunderts« gesagt: »Demokratie gilt nicht für die Hochschulen und andere staatliche Einrichtungen.« Auch der für die Vorstellung des Entwurfs gewählte Zeitpunkt, kurz vor den Semesterferien, sorgte für schlechte Stimmung. Die Hochschulen können nur noch bis 10. März dazu Stellung nehmen. »Für solche immens wichtigen Stellungnahmen sind derzeit noch die Konzile zuständig. Sie während der Prüfungsphase und der vorlesungsfreien Zeit einzuberufen, ist faktisch unmöglich. Mit Blick auf den straffen Zeitplan der Regierung ist es außerdem fraglich, ob die Stellungnahmen der Hochschulen überhaupt noch berücksichtigt werden können«, erklärt Gerald Eisenblätter, der Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften. Das Gesetz soll im Frühjahr in den Landtag eingebracht und bis Oktober verabschiedet werden.