Ohne Moos nichts Rechtes los

Hat die NPD wegen ihrer trüben Finanzlage so schlecht bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen abgeschnitten? Hat der Schatzmeister Geld der Partei veruntreut? Ein Blick auf die undurchsichtigen Finanzen der rechtsextremen Partei. Von Andreas Speit

Liefen die Geschäfte schlecht? Hat sich der langjährige NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna verkalkuliert? Ein Geschäft konnte seine Firma Wichmann-Küchen-GmbH in Lengerich immerhin gerade abschließen. Für ein Gymnasium darf die Firma die Küchenausstattung liefern. Die Stadtverwaltung Lengerich hat der Firma den Auftrag erteilt, berichtet Brigitte Meibeck, Fraktionsmitglied der Grünen im Kreistag Steinfurt. Bedenken der Grünen seien mit der Anmerkung ignoriert worden: »Es ist nun mal das günstigste Angebot.«

In der Stadtverwaltung ist die Parteizugehörigkeit Kemnas bekannt. Die Führung der NPD um Udo Voigt steht nach wie vor fest hinter dem Schatzmeister der Partei. Und das trotz immer noch laufender Ermittlungen wegen Veruntreuung von Parteigeldern.

Am 7. Februar hatte das Küchenstudio an der Bahnhofstraße in Lengerich geschlossen. Es wurde durchsucht. Kurz nach neun Uhr betraten Polizeibeamte auch Kemnas kleine Geschenkboutique in Ladbergen. Dort nahmen die Beamten den 57jährigen fest. Gleichzeitig durchsuchten sie die Berliner Parteizentrale der NPD und die Geschäftsräume des »Deutsche-Stimme-Verlags« in Riesa.

Kemna ist Geschäftsführer des Verlags. Der Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer aus Münster wirft ihm vor, rund 627 000 Euro aus dem Partei­ver­mögen auf seine Konten der Küchen-GmbH gelenkt zu haben.

Seit dem Jahr 2004 soll er regelmäßig, in mindestens 65 Fällen, Geld der NPD auf seine Konten umgeleitet haben. In einer ersten Vernehmung räumte Kemna ein, dass an ihn Geldbeträge aus der Parteikasse geflossen seien. Staatsanwalt Schweer sagt, dass der Verdächtige »beteuert, es handle sich um Rückzahlungen von Darlehen, die er – oder Dritte über ihn – zuvor der NPD gewährt hätten«. Belege für diese Darlehen habe Kemna jedoch nicht. Überweisungen auf NPD-Konten seien überdies nicht erkennbar. Es seien »Schutzbehauptungen«, vermutet Schweer.

Die offiziell Geschädigten halten jedoch auffällig treu zu dem beschuldigten Parteikader. In einer Presseerklärung hebt die Parteiführung hervor, dass die Ermittlungen gegen den Schatzmeister ein »Angriff auf das Parteienprivileg« seien. »Der eigentliche Grund für die Verhaftung des Bundesschatzmeisters«, meint Voigt, »war offensichtlich nicht das Bedürfnis des Staates, die NPD schützen zu wollen, sondern sich über diesen Vorwand Information über das Innenleben der Partei zu beschaffen«. Der Pressesprecher der Partei, Klaus Beier, betont: »Nachdem man die NPD nicht verbieten kann, will man sie in finanzielle Schwierigkeiten bringen.«

Nach einer Bundesvorstandssitzung am Wochenende nach den Durchsuchungen wurde Kemna vom Amt beurlaubt. Per Rundschreiben ließ der Bundesvorstand die Partei wissen, dass der Landtagsabgeordnete Stefan Köster aus Mecklenburg-Vorpommern und der NPD-Landesvorsitzende von Niedersachsen, Ulrich Eigenfeld, die Geschäfte des Schatzamts übernommen hätten. Die interne Revision soll der Hamburger Vorsitzende und Anwalt Jürgen Rieger leiten. Offenbar handelt es sich dabei allerdings nur um einen formalen Akt, um die alltäglichen Parteigeschäfte weiter führen zu können.

Die Behauptungen Kemnas werden auch von Aussagen des NPD-Bundesgeschäftsführers Frank Schwerdt gedeckt. In der rechten Zeitung Junge Freiheit führte dieser am 15. Februar aus: »Wir haben gar keine 600 000 Euro auf unseren Konten, die er hätte veruntreuen können.« Bei dem Geldverkehr handle es sich um von der NPD zurückgezahlte Darlehen, behauptet Schwerdt ebenso wie Kemna. Und Schwerdt betont: »Es ist ja bekannt, dass wir von Banken keine Kredite bekommen. Also sind wir auf private Darlehen angewiesen.«

Manche Kreditgeber, meint er in der Jungen Freiheit, wollten aus Angst vor möglichen Repressalien nicht, dass bei der Rückzahlung die NPD als Überweisende auftaucht. So seien teilweise Darlehen auch über Kemnas Privat- und Firmenkonten zurückgezahlt wurden. Andere Darlehensgeber hätten ihr Geld auch einfach in bar zurückerhalten. Dies mag sehr ungewöhnlich sein, ist aber strafrechtlich nicht relevant.

Die Bundestagsverwaltung bestätigt, dass mit der Rückzahlung von Darlehen über private Konten oder per Barzahlung nicht gegen das Parteiengesetz verstoßen werde. Von den laufenden Ermittlungen sind die kommenden Auszahlungen nach dem Parteiengesetz auch nicht betroffen, betont Christian Hoose, Pressesprecher der Bundestagsverwaltung. »Die Staatsanwaltschaft hat sich bisher nicht an uns gewandt«, sagt er. Alle Zahlungen erfolgten weiter nach den Regularien der Parteienfinanzierung.

Im November vorigen Jahres wurden durch Einbehaltung der letzten Auszahlung Schulden der NPD bei der Bundesverwaltung ausgeglichen. Diese waren entstanden, weil die Partei sich Zuschüsse erschlichen hatte: Die thüringische NPD hatte frisierte Spendenquittungen ausgestellt. Rund 870 000 Euro musste die NPD zurückzahlen.

Im vergangenen Jahr machten diese Schulden der Partei schwer zu schaffen. Geld für Personal und Wahlkampf fehlte. Im niedersächsischen Wahlkampf fühlte sie sich benachteiligt. Rieger betonte, die Partei könne wegen Finanzmangels »nicht an frühere Erfolge bei Wahlen anknüpfen«. Vor dem Bundesverfassungsgericht versuchte der Neonazianwalt mit einem Eilantrag die zurückgehaltenen Bundesgelder für die NPD zu erstreiten – ohne Erfolg.

Erst mit der Begleichung der Schulden stehe der Partei wieder der volle Zuschuss zu, erläutert Hoose. Die genaue Summe für das Jahr 2008 ist noch nicht errechnet. Alleine im Jahr 2006 bekam die NPD nach Angaben der »Länderoffenen Arbeitsgruppe Finanzquelle der rechtsextremen Kreise«, 1 376 678,48 Euro aus öffentlichen Kassen. Aufgrund des Anstiegs der Mitgliederzahl auf über 7 200 erhält die Partei zudem mehr Steuer­gelder.

Das Geld ist dennoch knapp. Schwerdt sorgt sich darüber, dass die Bundestagsverwaltung jetzt gar versuchen könnte, die »gegen Zinsen gewährten Darlehen als heimliche Parteispenden auszulegen«.

Eine Verurteilung Kemnas könnte indes Voigt in Bedrängnis bringen. Er ist sein Mann, »ein Mann der Praxis«. »Sein Wissen und seine Erfahrung haben die NPD wirtschaftlich auf gesunde Füße gestellt«, heißt es immer noch auf der Homepage der Bundespartei.