Zum Auflösen zu blöd

Die Neonazis sind bei den Wahlen in ­Niedersachsen, Hessen und Hamburg sang- und klanglos untergegangen. kommentar von burkhard schröder

In Hessen erreichte die NPD noch nicht einmal die Stimmenzahl, die nötig ist, um Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. In Hamburg war nur die DVU angetreten. Auch sie bekommt kein Geld aus der Staatskasse. In einigen Bezirken erreichte sie sogar noch weniger Stimmen als »Die Partei«, die deutsche Kampftruppen nach »Süd-Liechtenstein« schicken will. In den alten Bundesländern haben derzeit nur Rechts­populisten wie ein Ronald Schill eine Chance, kurzfristig einen Zipfel der Macht zu erhaschen. Die DVU, die durch die Finanzkraft ihres alternden Vorsitzenden Gerhard Frey in der Lage gewesen wäre, die Bevölkerung mit brauner Propagandasoße zu überschütten, bleibt eine schrump­fende Politsekte. Neonazis in Parlamenten sind also ein ostdeutsches Phänomen.

Das Geld Freys eröffnete dem braunen Spektrum zumindest den propagandistischen Zugang zu Nicht- oder Protestwählern, denen es egal ist, was sie ankreuzen, wenn es nur die »Etablierten« ärgert. Damit ist es vorerst vorbei. Diesen Protest scheint »Die Linke« aufgesogen zu haben. Die größte Leistung Oskar Lafontaines im Westen ist es, dieses Milieu zu neutralisieren.

Die NPD allein ist im Westen nicht in der Lage, die Klientel zu erreichen, die ihr noch in den sech­ziger Jahren in Südwestdeutschland zweistellige Wahlergebnisse beschert hatte. Sie stützt sich vorwiegend auf die militanten Aktivisten der so genannten Freien Kameradschaften und auf Teile der rechten Jugendkultur. Im Beitrittsgebiet ist das anders: Die NPD ist vor allem in Kleinstädten verankert. Die Nazi-Klientel dort ist aus ökonomischer Sicht kleinbürgerlich, aber viel weniger abgesichert als vergleichbare Milieus im Westen und daher leichter zu radikalisieren.

Die Wahlergebnisse bedeuten nur etwas für den Machtkampf zwischen den beiden konkurrierenden Nazi-Parteien und für ihr Zweckbündnis »Deutschlandpakt«. Die NPD ist in einer Zwickmühle: Modernisiert sie sich wie die italienischen Neofaschisten, um für neue Wählerschichten akzeptabel zu sein, müsste sie ihre Aktivisten abstoßen. Verließe sie sich auf ihre ostdeutschen Stammwähler, kann sie den Westen abschreiben. Der »Deutschlandpakt« war ein Versuch, das zu ändern – er ist wohl endgültig gescheitert.

Das Wahlverhalten der Deutschen ist seit Jahrzehnten unflexibel und relativ konstant, trotz zahlreicher soziologischer Unkenrufe, die Wählerinnen und Wähler entschieden sich angeblich immer unberechenbarer. Als Politsekte hat die NPD keine Chance, die politische Mitte über kurze Konjunkturen hinaus zu radikalisieren. Auch nicht mit einem Wahlkämpfer an ihrer Seite wie Roland Koch, der Parolen der NPD volkstümlich an die Wähler gebracht hat – allerdings für eine andere Partei.

Den Kadern der NPD und der DVU bliebe nur eine Chance, mehr politischen Einfluss zu bekommen als jetzt: Das zu tun, was ihnen die Maoisten von der KPD 1980 vormachten – die Partei aufzulösen und woanders unterzuschlüpfen. Aber dazu sind die Nazis zum Glück zu blöd.