Solidarität jetzt!

Mit Hillary Clinton kommt die Frauenbewegung endlich dahin, wo sie immer hinwollte: ins Zentrum der Macht. Sie beweist, dass Familie und Weltherrschaft vereinbar sind. von Bianca Ravel

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, in diesem Wahlkampf um die demokratische Kandidatur stehen die Amerikaner vor einer historischen Entscheidung. Es geht um ihre Geschichte und ihre Identität. Seit Beginn des Wahlkampfs haben die Wähler gezeigt: Amerika ist ready for change.

Gewiss, Barack Obama ist ein guter Kandidat. Er ist leidenschaftlicher Demokrat, der die Erlösung von Amerikas rassistischer Vergangenheit symbolisiert. Es ist ihm gelungen, eine Zukunftsvision zu verbreiten, die für viele Amerikaner in diesen ach so dunklen Zeiten verlockend zu sein scheint: Amerika soll nicht mehr als globales Feindbild funktionieren, Amerika wird in Zukunft keine sinnlosen Kriege mehr ums Öl führen und alle Freihandelsabkommen abschaffen. Amerika wird von nun an für Frieden und Hoffnung stehen. Beim nächsten G8-Gipfel werden in dieser Vision die Massen den neuen US-amerikanischen Präsidenten mit Begeisterung empfangen, und es wird nicht mehr nötig sein zu rufen, eine »andere Welt« sei möglich, denn die andere Welt wird er selbst in Person verkörpern, der erste schwarze Präsident der USA.

Hillary Clinton, die als Favoritin den Wahlkampf begonnen hatte, hat man hat in den vergangenen Wochen bitter verlieren sehen. Man hat über sie geschrieben, sie habe das verdient, man hat ihre Fehler gnadenlos analysiert, alles schien plötzlich gegen sie zu sprechen. Frauen und Männer, die sie am Anfang unterstützt hatten, wandten sich von ihr ab und ließen sich von der Obamania anstecken. Wer nüchtern geblieben ist, wer sich nicht vom fesselnden Charme dieses jungen Senators verführen ließ, weiß jedoch: Hillary Clinton ist die bessere Wahl für Amerika.

Sie verkörpert das, wofür sich die Feministinnen in den siebziger und achtziger Jahren engagiert haben. Sie bedeutet die Ankunft der Frauenbewegung im Zentrum der Macht, und das im mächtigsten Land der Welt. Selbst, wenn sie nicht wie so viele auf den Barrikaden für die Frauenrechte gekämpft hat, ist Hillary für amerikanische Frauen ein großes Vorbild. Als erfolgreiche Juristin, engagierte Politikerin, nachsichtige Ehefrau und verständnisvolle Mutter hat sie es geschafft, harte Arbeit und Karriere mit der Familie zu vereinen, ganz im Sinne jener Forderungen nach Gleichberechtigung, Emanzipation und Selbstbestimmung, die unsere edlen Kämpfe ständig begleitet haben. In diesem Vorwahlkampf wurde sie als »hochmütig«, »kalt« und »unweiblich« bezeichnet. Ja, das ist der Preis unseres Kampfes für die Emanzipation und für die Erfolge, die wir in den vergangenen drei Jahrzehnten erzielt haben. Die Entwicklungen der vorigen Wochen haben uns gezeigt, dass die Emanzipationsfrage noch lange nicht gelöst ist. Wie könnte dies der Fall sein, wenn 84 Prozent der Abgeordneten im US-Kongress Männer sind? Das dürfen diejenigen nicht vergessen, die heute von Hillary behaupten, ohne ihren Mann sei sie gar nichts.

Wer Hillary heute als »gefühlsarm« bezeichnet, weil sie mit Obamas leidenschaftlicher Art nicht mithalten kann, darf nicht vergessen, was für eine innere Stärke diese Frau vor ziemlich genau zehn Jahren zeigte, als sie sich entschloss, an der Seite ihres Mannes zu stehen und die Familie zusammenzuhalten. Sie wurde betrogen, verletzt und gedemütigt. Sie entschied sich für die Stabilität ihrer Familie, Amerika sollte ihr jetzt dafür dankbar sein. Denn nun stehen die Clintons geschlossen da und sagen den Amerikanern: Ihr braucht keine Visionen, sondern Pläne, Entscheidungen, Lösungen.

Viele von uns können heute von sich behaupten, wie Hillary Clinton neulich in Ohio: »Ich habe jede Falte auf meinem Gesicht verdient.« Wir haben für unsere Befreiung und Selbstbestimmung gekämpft. Wir haben hart gearbeitet und Familien gegründet. Unsere Kinder sind jetzt groß und stehen mitten im Leben. Wir sind an der Seite unserer Männer älter geworden, selbst wenn das nicht immer einfach war. Hillary soll nicht alleine gelassen werden. Insbesondere jüngere Frauen, die sich noch keine Falten verdient haben und die mit Barack Obama die Vision einer glänzenden Zukunft verbinden, sollten bedenken: Mit einem charmanten Lächeln lassen sich die Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern. Harte Arbeit, Kompetenz und Nüchternheit sind nötig. Deshalb brauchen wir Hillary.

Barack Obama ist ein guter Mann. Er ist auch ein guter Demokrat. Aber er muss noch viel lernen. Wenn Amerika wirklich bereit für Veränderung ist, dann muss es Hillary wählen. Wir werden uns nicht damit zufrieden geben, dass sie die Vorwahlen gewinnt. Wir wollen sie im Weißen Haus sehen.