Hier wache ich!

Die Eskalation von Gewalt im Leipziger Türstehermilieu wissen Politiker mehrerer Parteien bestens für ihre Zwecke zu nutzen. von hannes delto

Sicherheitsfirmen haben ein Imageproblem. Das könnte damit zusammenhängen, dass ihre Mitarbeiter selten freundlich sind. Als Türsteher etwa bedienen sie sich schlichter Auswahlkriterien, wenn es darum geht, wer in einen Club hineingelassen wird und wer nicht – vor allem solcher, auf welche die Besucher kaum Einfluss nehmen können, wie Aussehen, Geschlecht oder Nationa­lität.

In Leipzig kontrollieren zwei Sicherheitsdienste, Black Rainbow und L.E. Security, etwa 90 Prozent der Clubs in der Innenstadt. Bereits vor mehr als einem Jahr entflammte der so genannte Türsteher­krieg, der in der Nacht vom 7. auf den 8. März einen traurigen Höhepunkt erreichte. Der 28jährige Andreas K., der möglicherweise für einen Türsteher gehalten wurde, starb vor dem Club »Mia’s«, sieben Gaststätten und Diskotheken in der Innenstadt wurden demoliert. Es entstand ein Sachschaden von mindestens 50 000 Euro.

Vorausgegangen waren Tumulte in der Diskothek »Schauhaus«, bei denen Marko Z., Chef der L.E. Security, mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt wurde. »Es geht dabei um die Vor­machtstellung im Ausgehgewerbe«, sagt Diana Voigt, die Pressesprecherin der Leipziger Polizei. Zudem könnten Drogenhandel und organisierte Kriminalität im Spiel sein.

Sicher ist, dass gut 150 Menschen vor der Disko­thek »Schauhaus« randalierten, aufeinander einschlugen und auch die anwesenden Polizisten an­griffen. Mehrere Personen wurden dabei verletzt, manche von ihnen schwer. Kleinere Gruppen von Randalierern konnten weiter in die Innenstadt ziehen, wo schließlich der tödliche Schuss fiel. »Die Bereitschaftspolizei hat die Lage völlig falsch eingeschätzt, oder es gab überhaupt keine Einschätzung«, sagt Cornelia Ernst, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, der Jungle World. Der stellvertretende Polizeipräsident und Kriminaldirektor, Ulrich Bormann, sprach zwar von zwei V-Leuten, die in die Szene eingeschleust worden seien. Jedoch wird vermutet, dass sie die Seite gewechselt und die Polizei bewusst falsch über die Lage informiert hatten.

Ernst wirft dem sächsischen Innenminister, Albrecht Buttolo (CDU), vor, die Sicherheit zu gefährden, weil er immer wieder versuche, seine Verantwortung abzuschieben, und außerdem bis zum Jahr 2010 insgesamt 2 441 Stellen bei der Polizei des Landes streichen wolle.

Der Polizeipräsident des Landes, Bernd Merbitz, gab in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung zu, dass das Problem der Rivalitäten im Türstehermilieu schon länger bekannt gewesen sei. Die CDU-Stadtratsfraktion drängt insbesondere auf eine Ausweitung der Videoüberwachung in der Innenstadt, was die Linksfraktion und die Grünen kategorisch ablehnen. Sie argumentieren etwa so: Das jüngste Beispiel zeige, dass es nicht genüge, Kriminelle bei ihrem gesetzes­widrigen Tun lediglich zu beobachten, man müsse auch einschreiten können. Zudem sind bereits im Jahr 2003 knapp 700 Überwachungskameras in Leipzig gezählt worden (Jungle World, 33/04). Obwohl es inzwischen noch einige mehr sein dürften, konnten die Eskalation der Gewalt und der Tod von Andreas K. nicht verhindert wer­den.

In einem Schreiben vom 12. März an den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) warf Buttolo der Stadt vor, die rivalisierenden kriminellen Banden nicht ausreichend bekämpft zu haben. Jung verlangte dagegen eine umfäng­liche Unterstützung der Polizei und eine bessere materielle und personelle Ausstattung. »Buttolos Vorwürfe sind grotesk, da für einen derartigen Bandenkrieg das Landeskriminalamt zuständig ist und das direkt dem Innenminister untersteht«, erläutert Marcel Braumann, der Pressesprecher der Linksfraktion. Buttolo behauptet in demselben Schreiben, auch andere »Extremisten« könnten ungestört ihr Unwesen treiben: »Weiterhin stehen die Gewaltexzesse beispielsweise der linksextremistischen Szene anlässlich rechtsex­tremer Demonstrationen in engem Zusammenhang mit der Untätigkeit der Stadtverwaltung hinsichtlich der Stützpunkte linksextremistischer Gewalttäter in Connewitz.« Das wies Jung zurück: »Es ist weder sachlich noch inhaltlich gerechtfertig und entbehrt jeder Grundlage.«

Tatsächlich ist nach der polizeilichen Kriminal­statistik für das Jahr 2007 eher eine beunruhigende Zunahme rechter Gewalt in Sachsen zu kon­statieren. Demnach stieg die Zahl rechtsextrem motivierter Delikte gegenüber dem Vorjahr um 108 auf 2 154. Nach den blutigen Auseinandersetzungen im Türsteherkonflikt überschlugen sich die rassistischen Ressentiments gegen Ausländer regelrecht. »Die Wurzel ist der massenweise Zuzug von Ausländern«, schreibt beispielsweise ein User im Forum der Leipziger Volkszeitung. Ein anderer meint: »Ausländer dürfen sich amüsieren, aber in Albanien, Armenien oder anderen Ländern.«

Die Beraterin im Bereich Antidiskriminierung und Projektorganisatorin des Antidiskriminierungsbüros Sachsen, Astrid Tautz, erläuterte der Jungle World, der Konflikt werde von den lokalen Tageszeitungen rassistisch, ethnisierend und pauschalisierend dargestellt. »Immer wieder werden die ›deutschen Türsteher‹ den ›kriminellen Ausländern‹ gegenübergestellt.«

Tatsächlich haben es Ausländer schwer, in manchen Clubs oder Diskotheken eingelassen zu werden. Das belegen Tests des Antidiskriminierungsbüros und der Opferberatung Leipzig aus Anlass von zahlreichen rassistischen Vorfällen. Tautz ist sich sicher, dass nicht zuletzt die Berichterstattung in den Medien »die fremdenfeind­liche Gesinnung in der Mitte der Gesellschaft« weiter schüre und dazu beitrage, dass ein Klima geschaffen werde, in dem sich auch rechtsex­treme Gruppierungen wohl fühlen.

So ist es kaum verwunderlich, dass die sächsische NPD um Holger Apfel das Thema für sich entdeckte und zusammen mit den »Freien Kräften« eine Woche nach der gewalttätigen Eskala­tion im Türstehermilieu zu einer Demonstration aufrief unter dem Motto »Für ein gastfreundliches Leipzig – Kriminelle Ausländer raus«. Mit der Begründung, die Sicherheitslage der Stadt sei nach wie vor angespannt, konnte sie per Verfügung verboten werden.

Allzu oft wird allerdings verschwiegen, dass es Verbindungen zwischen dem Türstehermilieu und der rechtsextremen Szene gibt. Zwischen Tür­stehern, Neonazis, aber auch Hooligans gebe es personelle Überschneidungen, berichtete jüngst die Leipziger Volkszeitung. Das Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte der Zeitung, ein rechts­ex­tremisti­scher Vertrieb aus der Gegend unterstütze Kampfsportclubs, die Veranstaltungen im Freefight durchführen. In den Kampf­sport­ver­einen trainieren viele Türsteher, so etwa Ronny B., Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Black Rainbow, beim KSC Germania Leipzig.

Dass Marco Z., Chef der L.E. Security, bereits zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurde und sein Kollege Alexander F. von der Black Rainbow Security zu einer (noch nicht rechtskräftigen) Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe, lässt auf einen eher laxen gewer­berechtlichen Umgang mit Sicherheitsfirmen in der Vergangenheit schließen. Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen gestand ein, dass die gesetzlichen Anforderungen an Sicherheitsdienste nicht sehr hoch seien. Erst nach der Massenschlägerei stellte der Leipziger Oberbürgermeister in Aussicht, die Firmen und ihre Mitarbeiter unter gewerberechtlichen Aspek­ten erneut zu überprüfen.