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Überall auf der Welt gilt das Bruttosozialprodukt als wichtigster Maßstab für die Entwicklung eines Landes. Überall auf der Welt? Nein, ein kleines Land an den Hängen des Himalaya widersetzt sich dem ökonomistischen Trend. In Bhutan strebt man danach, das Bruttonationalglück zu steigern. König Jigme Singye Wangchuck den Begriff 1972 entwickelt, um ausländischen Kritikern entgegenzutreten, die auf das dürftige Wirtschaftswachstum verwiesen. Viel wichtiger sei die »Balance zwischen dem Spirituellen und dem Materiellen«, Neuerungen müssten daher »in Harmonie mit unserer Tradition« gebracht werden, erläutert Karma Tsheetem von der Gross National Happiness Commission.
Seine Majestät war ursprünglich der Ansicht, die Bhutanesen würden in alle Ewigkeit unter der erleuchteten Regentschaft der buddhistischen Monarchie glücklich mit der Gebetsmühle rasseln. Nach Unruhen in den achtziger und neunziger Jahren kam er zu der Erkenntnis, ein wenig Demokratie könne nicht schaden. Ein wenig nur, nicht zu viel, wegen der Harmonie. Unter Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, der 2006 die Amtsgeschäfte übernahm, wurde in der vergangenen Woche sogar ein Parlament gewählt. Zugelassen waren nur zwei Parteien, die Bhutan United Party (BUP) und die People’s Democratic Party (PDP). Beide sind königstreu und dem Bruttonationalglück verpflichtet, ihre Programme unterscheiden sich kaum. Dennoch droht nun Zwietracht die Harmonie zu stören. Die PDP gewann nur zwei der 47 Parlamentssitze und spricht von »sehr seltsamen Entwicklungen«. Das böse Wort Wahlbetrug vermied man, der Harmonie wegen, denn »wir sind alle Nachbarn, Freunde und Verwandte, und wir müssen zusammenarbeiten, um die Visionen des Königs zu verwirklichen«, wie der PDP-Vorsitzende Sangay Ngedup sagte. Doch ist die Rede von der »Bedrohung« potenzieller Wähler der Partei. Die beiden PDP-Abgeordneten legten ihr Mandat nieder, die Wahlkommission soll die Vorwürfe untersuchen.
Ungeachtet dessen bot die Wahl ein herausragendes Beispiel individuellen Engagements für die Demokratie. Da die Wähler ihre Stimme nur in ihrem Geburtsort abgeben durften, lief die 65jährige Tshewang Dema 600 Kilometer weit zum Wahllokal, um ihren Beitrag zur Mehrung des Bruttonationalglücks zu leisten. js