Mark Stewart im Gespräch über seine neue Platte

»Ich rede nicht so gerne, ich mache lieber«

Mark Stewart ist ein alter Kämpe des Postpunk, der heute kein Stück leiser ist als damals. Zu seiner neuen Platte »Edit« befragt ihn Tobi Kirsch

Mark Stewart war einer der einflussreichsten Musiker des Postpunk der achtziger Jahre. Mit seiner Band The Pop Group stand er für die spektakuläre Durchbrechung des Punkschemas und eine musikalische Offenheit, in der vor allem Bezüge auf jamaikanischen Dub eine große Rolle spielten. Die in den frühen Neunzigern entstandene so genannte Bristol-Szene um Tricky, Portishead und Massive Attack, die Pioniere des Trip Hops, nannte Mark Stewart und The Pop Group als wichtige Einflüsse auf ihre Arbeit.

The Pop Group galt auch als eine der politisch­sten Bands der Postpunk-Ära. Das Einbringen einer »schwarzen« Musiktradition in den eher »weiß« codierten englischen New Wave wur­de als aktives Agieren gegen Rassismus betrieben.

Dennoch blieb Mark Stewart immer ein agent pro­vocateur, der sich auf nichts festlegen lassen mochte, klare Identitäten lehnt er bis heute ab. Dabei ist er kein Intellektueller, sondern ein begeisterter Hobbytheoretiker und Sammler von Ideen. Er hat sich intensiv mit der Arroganz der Macht beschäftigt, was in Songtexten und Plattencovern immer wieder eine Rolle spielt, er bedient sich bei Foucault und Baudrillard und versteht sich als Theoriemaschine, die zu linken Befreiungskämpfen ebenso etwas zu sagen hat wie zu Lee Perry.

Nach einer langen Pause haben Sie wieder ein Soloalbum aufgenommen, wie kam es dazu?

Der Antrieb kam eigentlich von außen. Das englische Liebhaberlabel Soul Jazz wollte eine Compilation mit alten Tracks von mir machen und ich sollte sie zusammenstellen. Da habe ich mir gedacht, ich packe noch zwei meiner aktuellen Stücke hinzu. Danach habe ich einfach weiter an neuen Nummern gearbeitet und irgendwann war eine neue Platte fertig.

Ihre Texte wurden oft zitiert. Slogans wie »We are all prostitutes« sind unvergessen. Wie kommt man auf derartige Claims?

Ich schreibe viel spontan und plane wenig. Ich nehme auf meinen Reisen viele Einflüsse auf und verarbeite diese entsprechend. Ich stelle ein­fach gern Dinge nebeneinander. Eine wichtige Methode ist natürlich das »Cut and Paste«, die Kombination verschiedener Dinge aus unterschiedlichen Kontexten. Aber ich rede eigentlich nicht so gerne über sowas, ich mache lieber. Ge­nauso stören mich theoretische Deutungsversuche von Akademikern, die einfach nur ihre Theorie auf meine Kunst anwenden wollen, oh­ne mich zu verstehen. Das nervt mich schon lange, dass so ein paar studierte Fans von The Pop Group ihre dogmatischen Thesen auf meine Musik anwenden. Das hat nichts mit mir zu tun.
Aber zurück zu meinen Texten: Ein Konzept, das mich gerade bei meiner Arbeit beschäftigt, ist das, was ich »vicious beauty« nenne. Die Bös­artigkeit, die mitunter auch in Schönheit liegen kann. Hinter der Fassade lauert etwas. Interessant ist auch, was ich unter dem Slogan »The di­vine filth« fasse. Es geht um die Wurzeln des Chris­tentums, die Geschichte der christlichen Kirche, den Schmutz, der mit Religion verbunden ist.

Sie gehen demnächst wieder mit ihrer alten Begleitband The Maffia auf Tour. Wer genau steckt hinter dieser Combo?

Meine Backing Band ist letztlich die alte Hip Hop-Gruppe Sugarhill Gang, die ich seit meiner New Yorker Zeit kenne. Es ist ganz schön schwie­rig, die Jungs unter einen Hut zu bringen für die Tour. Die sind alle sehr beschäftigt.

Warum eigentlich: The Maffia?

Ursprünglich hieß es mal Mark Stewart vs. The Maffia. Mit »Maffia« habe ich damals die Musikindustrie gemeint, die ich als zynisch empfand. Leider ist irgendwann aus dem »vs.« ein »&« geworden. Das war ein simpler Druckfehler, der sich verselbständigt hat. Aber das ist ja auch eine wichtige Erkenntnis: Wir müssen lernen, mit den Fehlern umzugehen.

Mark Stewart: »Edit« (Monitorpop)