Neue »Kampa« für die SPD

Mehr Werbung wagen

Aus ihrer derzeitigen Krise kann die SPD nur eines retten: eine neue »Kampa«! Wie schon 1998 und 2002 brauchen die Sozialdemokraten eine markige Wahlkampagne. Doch lässt sich eine Partei um Kurt Beck überhaupt bewerben?

Genossen, es steht schlimm um euch! Euer Zustand ist so desolat, dass euch bald niemand mehr wählen will. Wo bleibt die Wunderwaffe, die den Sozialdemokraten endlich wieder zum Erfolg verhilft? Wann beginnt eine Wahlkampagne der Art, mit der die SPD 1998 die Bundestagswahl gewann? Wann kommt sie, die berühmte »Kampa«?
Auch vor der Bundestagswahl 1998 sah es gar nicht gut für die SPD aus. In Umfragen im Jahr 1995 hatten verständlicherweise »90 Prozent der Wähler angegeben, die SPD sei überholt und überflüssig«, erinnert sich Detmar Karpinski, der Leiter der Werbeagentur KNSK. Ihn beauftragten die Sozialdemokraten damals, das Verlierer-Image der »Marke SPD« mit den Mitteln der kommerziellen Werbung aus der Welt zu schaffen. Die Werbefachleute rieten, möglichst früh mit der »Kampa« anzufangen. Eine eingestaubte Marke verjüngt man nicht in ein paar Wochen, wie man in der Branche sagt.
Die »Kampa« begann daher schon eineinhalb Jahre vor den Wahlen 1998. Eineinhalb Jahre sind es auch derzeit noch bis zur Bundestagswahl 2009. Aber was machen die Sozialdemokraten? Sie demontieren ihren unmöglichen Vorsitzenden und lassen ihn dann doch weitermachen. Sie wollen mit der »Linken« kooperieren und zugleich genau das natürlich niemals, und verwandeln damit ihren kleinen Sieg in Hessen in eine Niederlage. Manche Sozis ersehnen die »Kampa« aber schon herbei. Der Europa-Abgeordnete Vural Öger etwa forderte schon im Januar in einer Rede, die »Kampa« müsse »so rasch wie möglich mit dem Blick auf 2009 belebt werden«. Denn das Bild, das die Partei böte, sei »oft altmodisch oder verschroben«. Der Internet-Auftritt der SPD sei »rundum ein Trauerspiel«. Auf seiner Wahlkampfveranstaltung hätten vor der Bühne »höchstens 50 Gäste« gesessen.

Als man 1998 mit der »Kampa« angefangen habe, »waren die Leute von der SPD so frustriert, dass die gar nicht mehr an den Sieg geglaubt haben«, sagt Detmar Karpinski der Jungle World. Damals habe man dem Frust den Slogan »Wir sind bereit« entgegengesetzt. »Der wurde am Anfang belächelt und ironisch verhohnepipelt«, erinnert sich Karpinski. Aber als die Medien Gerhard Schrö­der als Kanzler sahen, »hat der Spruch dann seine Dynamik entfaltet«.
Dass auch derzeit ein markiger Slogan autosuggestiv das Elend der Sozialdemokraten beenden könnte, hält der Werber aber für unwahrscheinlich. »1997 gab es mit Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zwei starke Kandidaten«, sagt er. Zurzeit sei die »Personaldecke« dagegen »ein bisschen dünner«.
Und 1998 gab es einen »16 Jahre im Amt gesessenen Kohl«, eine »Steilvorlage«, meint Karpinski zurückblickend. Über den Mann von der CDU konnte man sich bestens lustig machen. Auf weißen Plakaten war damals die Überschrift zu lesen: »Welches Konzept der Kanzler zum Thema Finanzen entwickelt hat.« Darunter befand sich ein kleiner Notizzettel im Bild, auf dem stand: »Hannelore anrufen.« Derzeit liefert wohl eher Kurt Beck die »Steilvorlage«. Für die Werbeleute der CDU.

1998 gab es Gerhard Schröder, der »die Innovation« darstellen sollte, und Lafontaine, der für »Gerechtigkeit« stand. Was aber könnte Kurt Beck in einer SPD-Kampagne verkörpern? »Also, die Pfalz verkörpert er, finde ich«, urteilt Karpinski lachend. Für Beck würde er keine Kampagne betreiben, das wäre ihm zu riskant. Die KNSK arbeite ohnehin lieber für die traditionelle Markenindustrie. »Die zahlen auch besser«, weiß Karpinski.
Bei der Arbeit mit Parteien wollten außerdem immer alle mitreden. Das ist anstrengend. Die Werbeleute der »Kampa« waren nie Anhänger der innerparteilichen Demokratie. Die Agentur KNSK stellte den »Kanzlermachern«, Franz Müntefering und dem damaligen Organisator des Wahlkampfs, Matthias Machnig, die Bedingung, sich nicht mit den Parteigremien plagen , sondern nur mit wenigen sprechen zu müssen.
Anhängern der innerparteilichen Demokratie war die professionelle Werbung, mit der die SPD in den Wahlkämpfen 1998 und 2002 neue Maßstäbe setzte, nicht recht. Die »Kampa« sei eine »Amerikanisierung« des Wahlkampfs, klagten viele an der Basis. Schon der Parteitag von 1998, auf dem Schröder zum Kanzlerkandidaten ernannt wurde, war vielen zuwider. Über das »Spektakel« klagten die Sozis, über die »inszenierte Schauveranstaltung« mit festgelegten Längen für den Beifall und einer auf fünfzehn Minuten beschränkten Diskussion über das Wahlprogramm. Parteisprecher Michael Donnermeyer bekundete, es gehe »um die 15 Millionen Fernsehzuschauer«, also nicht um die inhaltliche Ausrichtung der SPD. »Wir sind alle nur stolze Statisten«, soll Wolfgang Thierse damals auf dem Parteitag gesagt haben.
2002 gelang Schröder dank der Elbflut und dem Irak-Krieg ein knapper Wahlsieg gegen Edmund Stoiber. Die KNSK warb für die SPD mit Plakaten, auf denen unter der Ankündigung »Endlich: Der Kandidat der CDU/CSU ist da« eine leere Fläche prangte, auf der kleingedruckt stand: »Leider nicht im Bild, da zu weit rechts.« Matthias Machnig wurde später vorgeworfen, die Strategie, Stoiber als Rechten darzustellen, sei nicht aufgegangen. Machnig legte sein Amt als Bundesgeschäftsführer nieder, wechselte für ein Jahr zur Agentur BBDO, zu der auch die KNSK gehört, und ist heute Staatssekretär im Umweltministerium. KNSK und SPD beendeten ihre Zusammenarbeit.
Abgelöst wurde die KNSK durch die Agentur Butter, die den Bundestagswahlkampf 2005 mit kantigen Schrödergesichtern verlor, neben denen nichtssagende Phrasen standen: »Wer Frieden will, muss standhaft sein.« Oder: »Wer Arbeit schaffen will, braucht den Mut für Reformen.« Oder ganz prägnant: »Kraftvoll. Mutig. Menschlich.« Angela Merkel sah auf den CDU-Plakaten plötzlich einfach viel hübscher aus.
Da half es auch nichts, dass der »Friedenskanzler« Schröder rechtzeitig zum Wahlkampf von unbekannter Seite in Oslo für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde. Wahrscheinlich war die Nominierung Schröders aber gar kein strategischer Kniff der Werbeagentur. Denn der Vorschlag wurde angeblich eingereicht, als von den auf das Jahr 2005 vorgezogenen Neuwahlen noch nicht die Rede war.

Die Agentur Butter wird wohl auch die kommende »Kampa« der Sozialdemokraten ausarbeiten. Welche Slogans könnten Kurt Becks bärtige Backen zieren? »Wo das Wort gilt, ist Rheinland-Pfalz«, warb die Agentur im Landtagswahlkampf 2006 mit einem Foto von Kurt Beck, aber der Verweis auf das geltende Wort ist seit dem Zwist über den Umgang mit der Linkspartei in Hessen auch nicht mehr empfehlenswert. Wie wäre es mal wieder mit: »Mehr Demokratie wagen«? Dass die innerparteiliche Debatte unter dem vorgefertigten Wahlkampfkonzept irgendwelcher Spindoctors leidet, kann man der SPD gegenwärtig zumindest nicht vorwerfen.