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Voltaire, Rousseau, Hegel, Kant – sie alle waren Befürworter der Todesstrafe. Dass sie immer wieder moralische Legitimation erfuhr, dürfte mit ein Grund sein, weshalb diese barbarische Vergeltung bis heute immer noch so populär ist. Zwar nahm die Zahl der Hinrichtungen im vergangenen Jahr ab, doch Amnesty international zählte trotzdem noch 1 252 Exekutionen weltweit. Und das sind nur die offiziellen Zahlen, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Wie immer bei Statistiken ist alles relativ. Eine der größten Entwicklungen weg von der Todesstrafe hat demzufolge China gemacht, wo 2007 nur noch halb so viele Menschen staatlicherseits ermordet wurden wie 2006. Mit 470 offiziellen Hinrichtungen liegt China aber immer noch mit Abstand auf Platz eins der Liste. Andererseits stellt China natürlich auch mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung. Relativ betrachtet werden also in den auf den Plätzen zwei bis vier folgenden Staaten Iran (317 Hinrichtungen), Saudi Arabien (143) und Pakistan (135) wesentlich mehr Menschen exekutiert. In den USA, Platz fünf, sind es 42 gewesen. Nun ist der Tod aber nicht relativ, sondern absolut, und jede Hinrichtung ist eine zu viel, Statistiken sind zynisch.
Insgesamt hat Amnesty international 24 Länder gezählt, die die Todesstrafe vollstrecken, 62 Länder halten immerhin an ihr fest. Es gab jedoch auch drei Staaten, die die Todesstrafe 2007 vollständig abschafften: Albanien, Ruanda und die Cook-Inseln. Dass nach wie vor die USA als einziges demokratisches Land auf dem obersten Teil der Liste von Amnesty international rangieren, ist auch nicht mit Voltaire und Kant zu rechtfertigen. Und da weder Barack Obama noch Hillary Clinton und John McCain die Todesstrafe ablehnen, wird die USA auch im nächsten Jahr sicher wieder auf der Liste auftauchen.
Über 20 000 Menschen warten weltweit in ihren Zellen darauf, erschossen, gesteinigt, geköpft, erhängt, vergast oder auf dem elektrischen Stuhl ermordet zu werden. »Hat er aber gemordet, so muss er sterben«, hatte Immanuel Kant erklärt. Vielen der zum Tode Verurteilten werden jedoch noch nicht einmal ein Mord angelastet, sondern Raub, Kindesentführung, Drogenhandel, Ehebruch, Homosexualität, Bestechlichkeit oder Prostitution. IB