Alles noch intimer

»Auf Dauer seh ich keine Zukunft«. Der Titel von Fanny Müllers neuem Buch ist schon mal super und verspricht trockenen Humor, hartgefederten Realismus und eine Rundumanalyse von lebenspraktischer Klugheit. Bisher waren Kolumnen das Metier der Hamburger Autorin, die ihre Texte in taz, Titanic, Brigitte, aber auch in der Jungle World veröffentlichte. »Fanny Müller über alles« hieß die Kolumne im damals blutjungen Blatt. Auch ins neue, formal als Tagebuch daherkommende Werk sind ein paar Zeitungsglossen integriert. Tagebuch, heißt das: Alles noch intimer, privater, authentischer? Ja, denn noch immer wohnt Fanny Müller in Hamburgs aufregendem Schanzenviertel, wo sie mit Sachen konfrontiert ist, die es sonst nur im Fernsehen gibt. Es geht auch viel um die lieben Nichten und die nervenden Verleger, außerdem berichtet Frau Müller, was sie gerade beim Arzt im Wartezimmer über Stauffenbergs letzte Worte im Spiegel gelesen hat (»Es lebe das heimliche (nicht das heilige) Deutsch­land«), erinnert an die schöne Bild-Schlagzeile »Wowereit doch nicht schwul?« und notiert, dass im Reformhaus gerade der »Darmkrebsmonat März« auf dem Programm steht. Dabei ist die Autorin keine schreibende Barbie-Puppe, der körperliche Probleme fremd sind und die bei Krankheiten andauernd igitt, igitt rufen muss. Fanny Müller kann übers Krank- und Älterwerden mit einer Todesverachtung schreiben wie sonst keine. Immer stimmt dabei das Mischungsverhältnis, Tragisches gibt’s in homöopathischen Dosen, Komik in XXL-Portionen. So muss es sein!

Fanny Müller: Auf Dauer seh ich keine Zukunft. Edition Tiamat, Berlin, 263 Seiten, 16 Euro