Deutsche Polizeihilfe für Libyen

Exportschlager Schlagstock

Die Empörung über die Nebentätigkeit deutscher Beamter bei der Polizeiausbildung in Libyen ist groß. Dabei hilft die deutsche Polizei ganz offiziell Ländern wie Saudi-Arabien und China. Über die Zusammenarbeit mit Libyen in der Flüchtlingspolitik herrscht Schweigen.

So viel Einigkeit gibt es selten: Die Mitteilung, dass deutsche Elitepolizisten vor zwei Jahren in ihrer Freizeit libysche Kollegen geschult haben, rief einhellige Entrüstung in Politik und Medien hervor. Es könne schließlich nicht angehen, dass Polizisten ihr Wissen ausländischen Potentaten zur Verfügung stellen.
Unter den 30 Polizeibeamten, die von Ende 2005 bis mindestens Mitte 2006 Schulungen in Libyen durchführten, sind 14 noch im Dienst des nordrhein-westfälischen Spezialeinsatzkommandos (SEK), einige kommen aus anderen Bundesländern, ein aktiver Hauptfeldwebel der Bundeswehr hat sich ebenfalls beteiligt. Auch fünf ehemalige Mitglieder der GSG 9, der Elitetruppe des früheren Bundesgrenzschutzes, waren in Libyen tätig. Auf dem Trainingsplan standen Schießen, Personenschutz und Selbstverteidigung. Nach Angaben der Westfalenpost hat die Ausbildung sogar »mindestens« bis Anfang 2008 gedauert. Vermittelt wurden die Aufträge, die die Beamten im Urlaub ausführten, von der Privatfirma BDB Protection. Die wiederum erhielt die Angebote nach Angaben von Bild am Sonntag von einem früheren Mitarbeiter des Verfassungsschutzes.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hatte die Vorgänge frühzeitig gemeldet, die Bundesregierung griff allerdings nicht ein. Darin sieht der FDP-Innenpolitiker Max Stadler ein »eklatantes Versagen«, denn zumindest hätte das Parlamentarische Kontrollgremium informiert werden müssen. In der Tat sind die Maßnahmen der Regierung widersprüchlich: Während das Verteidigungsministerium schon 2006 ein Disziplinarverfahren gegen den Hauptfeldwebel einleitete, will das Innenministerium erstmals am 30. November 2007 von den Nebentätigkeiten der Polizeibeamten gehört haben. In Nordrhein-Westfalen laufen die Ermittlungen seit Sommer 2007.
Zu einem Teil dringt in der Empörung auf offizieller Seite die Devise durch: »Haltet den Dieb!« Denn gegen eine polizeiliche Zusammenarbeit mit dem ehemaligen »Schurkenstaat« hat die Bundesregierung keine prinzipiellen Einwände. Im Gegenteil: Sie hätte die Arbeit gerne selbst übernommen. Im Juni 2006, als das Ausbildungsprogramm – oder zumindest ein Ausbildungsabschnitt – gerade beendet war, befand sich eine Delegation des Bundesinnenministeriums, des Bundeskriminalamts (BKA) und der Bundespolizei in Tripolis. Seit Libyen von der US-Terrorliste gestrichen worden ist, gibt es einen regelmäßigen »Informationsaustausch zu Terrorismus und Menschenhandel«. Die Libyer hätten um Unterstützung bei der Personen- und Objektschutzausbildung gebeten, berichtete Innenstaatssekretär Peter Altmeier (CDU) in der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch voriger Woche. Man habe der Bitte auch stattgegeben, die libysche Seite habe das Projekt dann aber ohne Angabe von Gründen abgesagt. Gerüchten zufolge seien die Franzosen ins Geschäft eingestiegen.

In einer Aktuellen Stunde im Bundestag polterte die Opposition. Die FDP warnte, es schade dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn Polizisten in einem »solchen Staat« tätig seien. Auch der Grüne Hans-Christian Ströbele will nicht, dass Polizisten ihr Wissen unkontrolliert weitergeben. »Durch diesen schleichenden Export wird die Sicherheit unseres Landes verkauft«, warnte der Rechtspolitiker der Linkspartei, Wolfgang Neskovic. Vertreter der Koalition versicherten, die Bundesregierung habe die Tätigkeit der deutschen Polizisten »weder gefordert, noch geduldet noch gewünscht«. Das dürfte in diesem Fall wohl stimmen. Politikern aller Parteien ist jedoch vor Augen geführt worden, was die Privatisierung des Sicherheitssektors bedeutet: Die Regierung konnte oder wollte nicht verhindern, dass Privatfirmen die Dienstleistung »Sicherheit« an den Meistbietenden verkaufen. Es ist ir­gend­wie putzig, dass ausgerechnet die FDP am lautesten verlangt, dieser Freiheit des Marktes Einhalt zu gebieten. Die CDU sagt, sie stehe »einer solchen Debatte offen gegenüber«. Auch »Linke« und Grüne fordern, das Außenwirtschaftsgesetz zu ändern und eine Registrierungs- bzw. Genehmigungspflicht für private Sicherheitsfirmen einzuführen.

Die Fähigkeiten deutscher Polizisten werden im Ausland schon lange geschätzt. Bereits 1979 genossen Gaddafis Leibwächter eine Ausbildung durch das BKA. Hinzu kamen Lehrgänge durch den BND. Die polizeiliche Ausbildung libyscher Beamter war beinahe ein gesamtdeutsches Projekt: So berichtete ein ehemaliger Major der ostdeutschen Staatssicherheit kürzlich einer Zeitung, er habe in Tripolis »täglich am Pool« die westdeutschen Geheimdienstler getroffen. Seit den siebziger Jahren wurden indonesische Polizisten geschult, nachdem der damalige Präsident Suharto durch hunderttausende Morde die »Ausschaltung der kommunistischen Partei mit aller Konsequenz und Härte« erledigt hatte, wie es der erste Präsident des BND, Reinhard Gehlen, ausdrückte. Vor wenigen Tagen bestätigte das BKA, in Vorbereitung auf die olympischen Spiele chinesische und usbekische Personenschützer ausgebildet zu haben.
Zudem sind Auslandseinsätze der Polizei zu einem wichtigen Instrument der deutschen und europäischen Außenpolitik geworden. Über 5 000 deutsche Polizisten waren seit 1989 im Ausland, die EU baut derzeit eine Polizeitruppe auf, in der auch so genannte schnelle Einsatzkräfte zu finden sind. Zurzeit befinden sich 139 deutsche Polizisten im Kosovo, 51 sind in Afghanistan. Der Umfang der Missionen ist im Vergleich zu denen der Bundeswehr allerdings gering, weil Polizisten bisher noch nicht zum Auslandseinsatz gezwungen werden können.
Im November 2007 kündigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einer Ansprache vor afrikanischen Botschaftern an, »durch Hilfe bei der Polizeiausbildung in einzelnen afrikanischen Ländern« zu einer »afrikanischen Sicherheitsarchitektur« beitragen zu wollen. Die Menschenrechtslage nannte er nicht als Kriterium. Ausbildungshilfe gibt es nach Angaben des BKA in 55 Staaten. Hinzu kommen 63 Verbindungsbeamte in 49 Ländern, darunter in so bekannten Diktaturen und Autokratien wie Jemen, Pakistan, Tadschikistan, China und Saudi-Arabien. In vielen Fällen sind die Polizisten als »Dokumentenberater« tätig und sollen die Einreise von Flüchtlingen mit gefälschten Papieren verhindern.

Es blieb der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl vorbehalten, das eigentlich Skandalöse an den Vorgängen in Libyen hervorzuheben: Bei den seit 2004 gepflegten Kontakten zwischen der EU und Libyen stehe an allererster Stelle das Interesse der EU-Staaten an der Flüchtlingsabwehr. Was diese betrifft, ist Libyen äußerst kooperativ und erhält Unterstützung. »Es begann mit der Lieferung von 1 000 Leichensäcken«, sagt Pro Asyl. Zehntausende von Flüchtlingen sitzen unter elenden Bedingungen in Gefängnissen und warten auf ihre Abschiebung, ohne dass ihr Anspruch auf Asyl geprüft wird. Die EU-»Grenzschutzagentur« Frontex berät zurzeit über eine libysche Wunschliste für hoch entwickeltes Polizeigerät: Fingerabdruck- und Bilderkennungssoftware, Überwachungsradars, Nachtsichtgeräte – was man eben braucht, um Menschen von der Flucht übers Mittelmeer abzuhalten. Dieser Aspekt spielte in der Aktuellen Stunde des Bundestags aber keine Rolle.