Flug mit dem »Battlestar Galactica«

Liebet eure Feinde

Serie über Serien. Jörn Schulz fliegt mit dem »Battlestar Galactica«

Das Angebot an guter Science ­Fiction im deutschen Fernsehen ist derzeit dürftig. Der wahre Fan kennt bereits alle Folgen von »Star­gate«, und »Andromeda« schmückt sich zwar mit dem Namen Gene Roddenberry (»Star Trek«), der bei Drehbeginn bereits neun Jahre tot war und sich gegen diese Zumutung daher nicht wehren konnte, ist aber tricktechnisch und dramaturgisch erbärmlich.
Zum Start von »Battlestar Galactica« war ich etwas misstrauisch, denn das Original, »Kampf­stern Galactica« aus dem Jahr 1978, ist zwar hübsch bunt, aber simpel gestrickt, und Lorne Greene (»Bonanza«) hätte besser auf seiner Ponderosa-Ranch bleiben sollen statt den Kampf­stern zu kommandieren. Das Misstrauen war nicht berechtigt. »Battlestar Galactica« ist nicht nur tricktechnisch auf der Höhe der Zeit, sondern hat auch die für eine ernstzunehmende Dramaturgie nötige moralische Ambivalenz und ersetzt die bonbonfarbene Ästhetik des Originals durch eine düstere, hektische Atmosphäre.
Die Serie kombiniert zwei klassische Themen der Science Fiction: die postapokalyptische Reise und die Rebellion intelligenter künstlicher Lebensformen. Die Zylonen, ursprünglich von Men­schen hergestellte intelligente Roboter, die sich weiterentwickelt haben, töten in einem Atomkrieg fast alle Menschen und verfolgen die knapp 50 000 Überlebenden in der von der »Galactica« geführten Raumflotte.
Angesichts dieser Ausgangslage ist es verständ­lich, dass die Menschen ihre zylonischen Feinde zunächst recht undifferenziert betrachten. Die Überlebenden wissen, dass es nicht nur zylonische Kampfroboter gibt, sondern auch menschliche Modelle, die unerkannt unter den Menschen leben. Reizvolle Zyloninnen, die schnell Liebhaber finden. Bald wird ein zylonisch-mensch­liches Kind geboren.
Nun werden die Dinge kompliziert, denn nach der Enttarnung der Zyloninnen mögen ihre Liebhaber nicht so recht glauben, dass sie möglicherweise Sex mit einer Maschine hatten. Überdies stellt sich heraus, dass die Zyloninnen, anders als viele Menschen, fähig sind, eigene Entscheidungen zu treffen, gegen ihre Befehle zu handeln und Mitgefühl zu empfinden. Dass die Zylonen sehr großen Wert auf die Geburt des mit einem Menschen gezeugten Kindes legen, wirft auch Fragen über ihre Motive auf.
Wie in allen intelligenteren Darstellungen der Auseinandersetzung zwischen Menschen und von ihnen geschaffener künstlicher Intelligenz geht es um das Probem der Individualität: Was macht den Menschen zum Menschen? Oder auch: Was macht den Zylonen zum Zylonen? Die Zyloninnen existieren in mehreren Exemplaren, mit gemeinsamen Erinnerungen, denken jedoch individuell. In den derzeit laufenden Folgen sind sie damit beschäftigt, so etwas wie eine zylonische Antikriegsbewegung zu gründen.
»Battlestar Galactica« gehört zu den wenigen Serien, die eine Geschichte erzählen, in deren Verlauf sich die Charaktere entwickeln. Niemand, ob Mensch oder Zylon, hat immer Recht, alle müssen im Laufe der Reise dazulernen. So wechseln auch die Perspektiven und die Urteile der Zuschauer. Adama, Kommandant der »Galactica«, erscheint zeitweilig als autoritärer Militarist, wenn er gegen Präsidentin Roslin putscht. Allerdings lässt Roslin sich von ihren vor ihr knieenden Anhängern als die in den religiösen Schriften prophezeite Erlöserin feiern, um an der Macht zu bleiben. Unrecht haben also eigentlich beide. Und obwohl auch die Kampfpilotin Starbuck ziemlich cool ist, wächst einem doch mehr und mehr die Zylonin Sharon Valerii ans Herz.
Utopien sind aus der Science Fiction derzeit weitgehend verschwunden. Während »Star Trek« noch so etwas wie eine klassenlose Gesellschaft vorstellt, ist »Battlestar Galactica« im besten Sinne des Wortes liberale Science Fiction der postapokalyptischen Epoche nach 9/11. Nicht nur, weil wohl erstmals in der Geschichte des Genres im Weltraum Wahlen stattfinden. Das Überleben verdanken die Menschen der zunächst umstrittenen Entscheidung, die Rechte gefangener zylonischer enemy combatants zu achten, und der Fähigkeit, unter dem Druck der Ressentiments der Mehrheit eigenständig zu denken.