LeserInnenworld

Jungle World 13/08: Kontrolle ist besser
Falsche Lesart
Die Diskoseite in allen Ehren, aber wie tief in die Idiotenkiste muss man greifen, um irgendwie noch eine Gegenposition auf die Beine zu stellen? Zum Beispiel Inzest: Marcus Garbrecht liefert die so ziemlich dümmlichst denkbare Freud-Lesart, indem er das, was Freud zumindest im Ansatz kritisch analysierte, zum unhintergehbaren Zivilisationsgebot macht. Dann werden noch hübsch Triebe aufgezählt, die der zivilisierte Mensch allesamt zu unterdrücken habe, um Kultur zu leisten (wogegen Freud eigentlich meistens von »Umleitung« von Triebenergien schrieb und die »Unterdrückung« selbiger bei ihm eher als Quelle von Neurosen auftaucht). Und zu welchem Zwecke all das? Um den »gesellschaftlichen Fortschritt« zu sichern, oder anders ausgedrückt: um die Bedürfnisse des Individuums den Bedürfnissen der Bevölkerung zu unterwerfen. Womit Marcus Garbrecht dann endgültig den Salto Mortale 100 Jahre zurück mitten in die Hochzeit eugenischer Ideologien geschafft hat. Erinnert sei da an eine durchaus positive Errungenschaft der Zivilisation: dass nämlich Fortpflanzung und Sexualität sich weitgehend entkoppeln lassen. Auch das scheint dem Autor entgangen zu sein. Nachsitzaufgabe: noch mal Freud lesen. Vielleicht nicht nur »Totem und Tabu«, sondern wenigstens auch »Massenpsychologie und Ich-Analyse«.
jakob

Jungle World: Neuer Online-Auftritt
Keine Zeit für »Jungle«
»Immerhin« war mein erster Gedanke zur neuen, zusammengeschrumpften Online-Präsenz. Der zweite dann war, schade, dass ihr anscheinend genauso einfallslos seid wie die anderen Zeitungen und die angekündigte Modernisierung auch nur das übliche beinhaltet: Verschlechterung. Die Zeitung kaufen will ich nicht, weil ich dann alles bis zur letzten Zeile lese und dafür mehr Zeit nötig ist, als gerade geht. Im Netz habe ich bisher selektiv maximal fünf Artikel pro Woche zu den für mich relevanten Themen gelesen – dafür die ganze Zeitung zu kaufen, ist nur schade um den Wald. Ich denke, das geht vielen so. Schade, dass es da nicht eine Möglichkeit gibt, kostenlos zu lesen und irgendwie freiwillig was dafür zu zahlen. Die Leute mit solchen schnöden Hinhalte-Mechanismen zum Kauf der Zeitung zu bewegen, finde ich, mit Verlaub, ziemlich piefig. Für das nun nicht mehr so »neue« Layout der Zeitung gilt im übrigen dasselbe: unerträglich einfallslos. Ist ja schön und gut, dass jetzt Werbefuzzis linke Pamphlete stylen, aber man muss erstens keine Tugend daraus machen und zweitens keine unkonventionelle Zeitung damit standardisieren. Gähn.
ubu