Globale Soziale Rechte machen eine »andere Welt« möglich

Antiglobale Linke für globale Rechte

Die globalisierte Welt erfordert eine die Nationalstaaten überschreitende emanzipatorische Kritik. Bei der Diskussion um Globale Soziale Rechte geht es auch um das Verhältnis von Singularität und Universalität.

Schon eine einfache Internetrecherche zeigt, dass der Diskurs zu Globalen Sozialen Rechten keinen besonderen Autor hat, sondern hier und anderswo eine der gegenwärtigen sozialen Bewegungen ist. Was kollektiv hervorgebracht wurde, haben unterschiedliche Akteure aufgegriffen, hierzulande u.a. der informelle Zusammenhang, der sich »Initiative für Globale Soziale Rechte« nennt. Beteiligt sind Mitglieder bzw. Mitarbeiter von Attac, dem »FoodFirst-Informations- und Aktions-Netzwerk« (Fian) und Greenpeace, der IG Metall, des Netzwerks »Kein Mensch ist illegal« und von Medico International.
Von den Protesten in Heiligendamm organisierte die »Initiative« eine Konferenz in Frankfurt und brachte so Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sowie NGO-Leute mit linken und linksradikalen Anti-G8-Aktivisten und -Aktivistinnen zusammen. Dem folgten mehrere Debatten in Heiligendamm, eine Veranstaltungsreihe in neun Städten und schließlich im Internet unter globale-soziale-rechte.de eine gemeinsame »Plattform«. Ähnliche Auseinandersetzungen gibt es in der Partei »Die Linke« und gab es jüngst auf dem Buko 31. Hinzu kommen revolutionäre Kritiken, nach denen die Einforderung von Globalen Sozialen Rechten auf einen staatsfrommen »Unterwerfungsdiskurs« ziele. Ach ja …

Die »Initiative« führt ihren Diskurs im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Wortwörtlich geht es um Rechtsansprüche, die den Rahmen des Nationalstaats überschreiten. Dazu gehören der von Fian eingeklagte Anspruch auf lebenssichernde Ernährung für alle, die Medico-Forderung nach weltweit gleichem Zugang zu Gesundheit und natürlich der Anspruch auf ökologische Gerechtigkeit. Dazu gehören die Attac-Forderung nach einem globalen bedingungslosen Existenzgeld und der Anspruch von Migrantinnen und Migranten ebenso wie Antirassisten nach einem globalen Recht auf freie Bewegung und Niederlassung. Die beteiligten Gewerkschafter gehen weniger von einzelnen Rechtsansprüchen als von der zwingenden Erfahrung aus, Kämpfe um die Rechte von Beschäftigten zunehmend transnational führen zu müssen.
Im übertragenen Sinn meint der Diskurs zu Globalen Sozialen Rechten nicht einzelne Rechtsansprüche, sondern die Vermutung oder besser das Versprechen, dass diese Ansprüche von sich aus auf ein Gemeinsames zielen: darauf, »der Globalisierung des Kapitals, der Märkte und der Waren mit einer Globalisierung der sozialen Rechte zu begegnen« (Plattform). So verstanden geht es um eine programmatische und strategische Konkretisierung der Losung von der möglichen »anderen Welt« und damit um ein global angelegtes Projekt gesellschaftsverändernder Emanzipationspolitik. Weil Globalisierungskritiker, Gewerkschafter und Antirassisten darunter aber offenbar nicht gleich dasselbe verstehen, geht es der »Initiative« zunächst um einen Austausch der jeweiligen Positionen entlang ihrer inneren Widersprüche. Solchen z.B. zwischen Gewerkschaftern und Ökologen, aber auch zwischen diesen beiden und NGO, die etwa Rechtsansprüche aus dem Süden auf eine radikale Umkehr der Ressourcenströme unterstützen. Schließlich zwischen Betriebsräten, die transnationale Arbeitskämpfe organisieren wollen, und der Erwerbslosenbewegung, die sich für ein weltweites Existenzgeld einsetzt.

In der solidarischen Konfrontation dieser unterschiedlichen Interessen erkennt die »Initiative« an, dass die Widersprüche im Diskurs zu Globalen Sozialen Rechten selbst widersprüchlichen, je für sich aber legitimen gesellschaftlichen Kämpfen entspringen. Der gemeinsame Bezug auf Rechte birgt dann aber zwei Ansätze zur Auflösung oder wenigstens Verschiebung dieser Differenzen.
Der erste ist logischen Charakters und bezieht sich darauf, dass es bei Rechtsansprüchen immer um singuläre und damit, wie Jacques Derrida sagt, um Ansprüche des je Anderen geht und dass es dabei trotzdem und unausweichlich um universalisierbare bzw. globalisierbare Ansprüche letztlich aller gehen muss. Der zweite ist historischen Charakters und bezieht sich darauf, dass Rechtsansprüche oft auf formelle Rechte und damit auf staatliche Anerkennung zielen, zugleich aber stets mit vor- oder gegenstaatlichen Versuchen der autonomen Aneignung des im Anspruch Gemeinten einhergehen.
Der Einsatz der »Initiative« zielt deshalb darauf, dies alles in Kommunikation zu bringen: die autonome Aneignung des in transnationalen Rechtsansprüchen Gemeinten, mögliche Effekte auf transnationale Staatspolitiken und den drive, der in der gleichzeitigen Singularität und Universalität emanzipatorischer Rechtsansprüche angelegt ist – nicht mehr, nicht weniger, wortwörtlich und im übertragenen Sinn.