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Wir sind alle verschieden und bestehen auch darauf. Es gibt hier allerhand zu tun, und manchmal wird es hektisch. Wenn sich die politischen Ereignisse in aller Welt überschlagen, tun wir das bisweilen auch, in hitzigen Debatten. Im Eifer des Gefechts soll es vorgekommen sein, dass einer zum anderen etwas Hässliches gesagt hat wie: »Du hast wohl eine Meise!« Doch das war gestern. Neuerdings heißt es aufgeregt, aber freundlich: »Habt ihr auch eine Meise?« Dieses Zeichen neuer Diplomatie ist einem noch nicht da gewesenen Ereignis geschuldet: Ein possierlicher kleiner Piepmatz erkundete vorige Woche das Produktionszimmer. Er flatterte im Kreis, teilweise im Tiefflug, pickte Krumen auf und verschwand wieder durchs Fenster. Das geschah gleich mehrmals, bis ein energischer Layouter diesem Einfall der Natur einen Riegel vorschob.
Bei der gründlichen Analyse des Vorfalls sprach der Thema-Redakteur von einem »kleinen braunen Vögelchen«, das ebensogut ein Fink gewesen sein könne, denn es seien ja wohl Finken, die überall auf der Straße pickten. Mit seinem soliden Halbwissen erntete er sogleich energischen Widerspruch. Wenig später hielt derselbe Redakteur einen Vortrag über die »Ordnung der Sperlingsvögel«, zu denen auch der Schneefink zähle. Allerdings wollte er sich nicht festlegen, ob es sich bei dem unbekannten Flugobjekt um einen solchen gehandelt habe. Die Augenzeugen blieben dabei, es habe sich um eine »Blaumeise« gehandelt, genauer gesagt, eine »Blau- oder Kohlmeise«.
Alles in allem handelte es sich um eine jener zahl- und lehrreichen Diskussionen, über die wir eher wenige Worte verlieren. Im Gegensatz zum Popfeminismus zum Beispiel. Wobei diese Reihe ein Ende gefunden hat und es auf der Diskoseite bereits um Sinn oder Unsinn der Forderung nach globalen sozialen Rechten geht. Dafür blickt Tanja Dückers im Dschungel auf den Streit zwischen Alice Schwarzer und ihrem feministisch-publizistischen Nachwuchs. Michael Heinrich erklärt auf der »Wirtschaft« allen, die vom Gegenteil überzeugt sind, dass Krisen zum Kapitalismus gehören wie der Fisch ins Wasser. Und sollten Sie meinen, dass die Filme von Michael Haneke Gewalt auf konventionelle Art darstellen, so werden Sie im Dossier von Karl Ossenagg eines Besseren belehrt.
Allein im Produktionsraum hat sich aus der Meisen-Disko eine Disko-Reihe entwickelt. Der eine Layouter findet die Meise »süß« und will nicht, dass wegen ihr die Rollläden heruntergelassen werden. Der andere Layouter wittert eine Verschwörung. »Futter« werde »extra« auf Tellern ausgelegt und das Vögelchen mit einer »Flap-flap-Strategie« angelockt. Er fordert, sich, den Umgang mit Singvögeln betreffend, ein Beispiel an den Italienern zu nehmen. Wobei wir beim Thema wären. Oder auch nicht.