Tiefe Abgründe

Die jüngste Geschichtensammlung des New Yorker Autors Rick Moody (»Der Eissturm«, »Wassersucher«) heißt »Paranoia« und besteht aus drei langen Erzählungen. Alle beschäftigen sich mit paranoiden Neigungen mit teils psychotischen Ausprägungen. Kein leichtes Thema: Paranoia ist ein Hirngespinst; und die Schwierigkeit des Autors besteht darin, den Leser bei der Stange zu halten. Wo der doch weiß, dass die Dinge, die geschehen, lediglich einen innerpsychischen Wahrheitswert für die Betroffenen haben. Das kann schnell langweilen.
Tut es aber nicht. Moody taucht mit viel Phantasie tief hinab in die seelischen Abgründe seiner drei Protagonisten. Psychologisch geschickt kehrt er Stück für Stück das Innere eines quasselig überdrehten Pensionärs nach außen. Der Mann zeigt sich höchst beunruhigt von den Aktivitäten »dunkelhäutiger Individuen«; er wittert eine terroristische Verschwörung. Zur Farce gereicht Moody der Verdächtigungswahn einer Büroangestellten, die sich wegen eines vollkommen harmlosen Zettels im Beschwerdekasten ihrer Firma um Kopf und Kragen denkt. In der dritten Geschichte lässt der Autor in einem schrillen Drogenerinnerungsalbtraum mit Sci-Fi-Konturen Wahrheit, Delirium und Illusion kollidieren.
Gelungen sind die Geschichten nicht zuletzt, weil sie die Abgründe ihrer Figuren sehr ernst nehmen. Sie sind nur vordergründig humorvoll und im Grunde schrecklich traurig – auch weil sie von der gnadenlosen Einsamkeit der Menschen unserer Gegenwart erzählen.

Rick Moody: Paranoia. ­Piper, München 2008, 245 Seiten, 18 Euro