Eindringen und ausbrechen

Eigentlich wollte der afghanische Präsident Hamid Karzai 50 Milliarden Dollar ergattern. Versprechen moch­ten ihm die Repräsentanten von 80 Regierungen am Donnerstag der vergangenen Woche bei der Afghanistan-Konferenz in Paris nur 20 Milliarden Dollar, ob die Summe vollständig ausgezahlt wird, bleibt ungewiss. Zudem stellte eine Studie der Weltbank fest, dass etwa 70 Prozent der Finanzhilfe über Gehaltszahlungen und Projektaufträge in die »Geberländer« zurückflösse. Doch für Karzai hätte es schlimmer kommen können, denn die bei der vorigen Konferenz in London festgesetzten Verpflichtungen etwa zur Korruptionsbekämpfung hat seine Regierung nicht erfüllt. Da Karzai weiterhin als unentbehrlich gilt, um ein überwiegend aus Warlords und Islamisten bestehendes Establisment zusammenzuhalten, blieb es jedoch bei zurückhaltender Kritik. Nicht begeistert dürften die westlichen Regierungen allerdings über seine Drohung gewesen sein, aus Pakistan eingedrungene Jihadisten auch auf pakistanischem Territorium zu bekämpfen. Dass die US-Luftwaffe Anfang Juni elf pakistanische Soldaten tötete, hatte bereits jene Kräfte in Pakistan gestärkt, die das Bündnis mit den USA im »War on terror« lösen wollen. Überdies wäre die afghanische Armee gar nicht fähig, auch noch in Pakistan zu kämpfen.
Am Sonntag sprengte ein Selbstmordattentäter das Tor des Gefängnisses von Kandahar, die Taliban befreiten mehr als 400 Inhaftierte. Der Angriff war Teil einer Offensive in Südafghanistan, mehrere Dörfer wurden überrannt, 4 000 Menschen flohen aus dem Kampfgebiet. Aus Kabul wurden eilig Verstärkungen eingeflogen, auch die internationalen Interventionstruppen wollen mehr Soldaten entsenden. Die Taliban sind zwar nicht in der Lage, Stellungen in größeren Orten zu halten, die afghanische Armee und die Interventionstruppen haben jedoch die Kontrolle über weite Teile des Landes verloren. js