Die Frisuren-EM 2008

11 Frisuren müsst ihr sein

Geht die Ronaldisierung der Fußballerköpfe weiter? Könnte sich Paul Breitner heutzutage noch im Stadion blicken lassen? Trends, Tatsachen und Toupets bei der Frisuren-EM 2008

Der Schweinsteiger.
Frisurentechnisch ist Bastian Schweinsteiger klar der innovativste Spieler im Team. Zur WM schockte er mit punkigem Iro-Look und wurde prompt von langhaarigen Yellow-Press-Reportern zum »Mister Toilet Brush« gekürt. Jetzt wurde nachgerüstet. Schweini legte sich einen Nackenspoiler und dunkle Ponysträhnen zu. Steht ihm und taugt als Sommertrendfrisur in den Discos von Schwerin bis Kolbermoor (Schweinis Geburtsort). Ballacks Latin-Lover-Look wirkt dagegen nur müde und retro. Das richtige Feeling kann man sich beim Friseur ohnehin nicht kaufen. Das hat man halt. Weiß auch Kumpel Lukas Podolski. Poldi über sich und Schweini: »Wir sind doch ganz klar zwei südländische Typen.« Ganz genau! her

Der Langhaarige.
Wie schön waren die Zeiten, als noch Spieler mit sich selbst überlassener, wild wuchernder Haarpracht auf dem Fußballfeld zu sehen waren! Dass langen Haaren mittlerweile der Status einer richtigen Frisur aberkannt wurde, während Bastian Schweinsteiger und Cristiano Ronaldo mit ihren extravaganten Frisurversuchen als Trendsetter gelten, gehört zu den traurigen Seiten des Fußballsports heutzutage. Die Langhaarfrisur ist einfach out. Dabei passt sie zu jedem Fußballergesicht, wie man am Beispiel des smarten Gianluigi Buffon unschwer erkennen kann. Im Zeitalter der Ronaldisierung werden Fußballer, die sich trauen, die gute alte Nichtfrisur zu tragen, leider immer weniger. br

Der Glatzenansatz.
Einst nannten seine englischen Mitspieler ihn »Curly« (Locke), doch bald wird man Jens Lehmann wohl »Monk« nennen, denn die kahle Stelle auf seinem Hinterkopf gemahnt an die Tonsur eines Mönchs. Männer in seiner Lage können in die Offensive gehen und sich eine Glatze scheren lassen oder versuchen, das Malheur zu verbergen. Eifert Lehmann dem romantischen Heroismus Lord Byrons nach, der sagte, ein wahrer Gentleman kämpfe nur für eine Sache, die von vornherein verloren sei? Denn verloren ist der Kampf um das Haupthaar, wenn es sich zum Ausfallen entschlossen hat. Oder bewog die defensive Haltung des Torwarts ihn dazu, seinen Locken einen Job zu geben, zu dem sie sagen müssten: »Mission: Impossible«? js

Die Glatze.
Den kopfhaarlosen Fußballer zeichnen schlichte, immer zeitgemäße Eleganz und Entschlossenheit aus. Kein Bändchen zurechtrücken, keine Strähnen hin­ter die Ohren streichen und kein Haare­raufen. Keine Gedanken an schlecht sitzende Frisuren und modisches Aussehen stören sein Spiel. Der glatzköpfige Fußballer widmet sich völlig der Verteidigung bzw. dem Sturm. Dort ist er am häufigsten zu finden. Schönheit und Kopfballstärke können sich mit Glatze am besten entfalten. Der bezauberndste Glatzkopf heißt Henrik Larsson. An ihm lässt sich besonders gut demonstrieren, wie ein glatt rasiertes Haupt den gesamten Typ verändert und attraktiver macht. Wer sich noch an seine Rasta­locken erinnern kann, wird dies bestätigen. uz

Der Kuranyi.
Bei Kevin Kuranyi geht einfach nicht zusammen, was eigentlich nicht zu trennen ist. Seine Technik sei maximal mittelmäßig, sein Ballgefühl hingegen grandios, analysierte die Presse. Auf dem Kopf hingegen verkehrt Kuranyi eben dieses Paradox ins Gegenteil. Hier stimmt die Technik: Sein stets akkurat getrimmter Bart und das elegant geölte Haupthaar bezeugen den perfekten Einsatz von Rasierer und Pflegeprodukten. Sein Stilgefühl allerdings lässt stark zu wünschen übrig. Kevin Kuranyi, da helfen keine Beschönigungen, sieht einfach scheiße aus. Das aber auf technisch hohem Niveau. Eine Frisur-Meisterschaft ist so nicht zu gewinnen. Eine EM – hier korrelieren Frisur und Fußballspiel abermals – leider auch nicht. ak/jk

Die Halbfrisur.
Dass Fußballern ihre Fußballermatten nicht mehr genügen und sie auch Frisuren haben wollen, ist ein Missverständnis. Der potenzielle Mattentyp Miroslav Klose, der sympathische Stürmer unserer Mannschaft, trägt so ein Ding auf dem Kopf, von dem man nicht so recht weiß, wie man es nennen soll. Halbfrisur? In oder out? Out of oder doch noch in bed? Mit Gel versucht er, seinen Haarschopf in Form zu bringen, doch dann muss er mit dem Kopf ran, und schon wieder ist alle Arbeit zunichte. Aber eigentlich ist es ja auch ganz gleich, was Udo Walz von Klose hält. Als Fan der deutschen Mannschaft wünscht man sich immer den zerdetschten Kloseschopf, weiß man doch: je kopfballzerdetschter, desto besser für Deutschland. aha

Der Ronaldo.
Während sich andere Spieler nach dem Abpfiff mit verklebten, unförmigen, vollkommen unansehnlichen Haaransammlungen vom Platz trollen, die die Bezeichnung »Frisur« nicht verdienen, heißt es für Cristiano Ronaldo: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel! Das etwas längere Deckhaar sitzt dank der Verwendung von Gel selbst nach etlichen waghalsigen Schwalben. Im fransigen Nackenhaar entspinnt sich weiterhin das Spiel der Strähnen. Und unter dem rasierten Seitenhaar pochen die Schläfen. Diese Frisur ist auch nach 90 oder mehr Minuten in Form. Das weckt den Neid der Konkurrenten, gern wird Ronaldo Überheblichkeit vorgeworfen. Sei’s drum: Der Europameister der Frisuren darf sich Arroganz erlauben. mst

Der Lockenkopf.
Seit den neunziger Jahren ist die Locken­pracht nahezu von Fußballerköpfen verschwunden. Unnötiger Ballast verringert die Laufeffizienz, deshalb sind die Locken vom Rasen auf die Bank gewandert. Seit der EM fragt man sich, ob sie dort am richtigen Platz sind. Otto Rehhagels einbetonierte, starre Frisur wirkte sich unmittelbar auf seine Griechen aus. Das immer wirrere Lockenspiel des Franzosen Domenech verriet die Zweifel, ob es richtig war, die Mannschaft nach astrologischen Kriterien zu casten. Und Italiens Trainer Donadoni legte ständig die Hände zum Frisurencheck an den Kopf. Das Resultat war ein verdammt gut aussehender Trainer mit einer scheußlich spielenden Mann­schaft. mm

Der Langhaarige mit Bändchen.
Unter allen Möglichkeiten, langes, männ­liches Haupthaar zu bändigen, hat sich im Fußballbusiness die Bändchenvariante durchgesetzt. Konsequent unelegant und konsequent unpraktisch, weil es immer wieder zurechtgezupft werden muss, verleiht das Bändchen seinem Träger doch immerhin etwas Geheimnisvolles. Wie ist es möglich, dass dieses Ding, das mit dem Schnürsenkel und dem Hosengummi Gemeinsamkeiten hat, keinen hässlichen Abdruck auf der Fußballerstirn hinterlässt? Möchte der Bändchenträger seine dezente Neigung zur Metrosexualität ausdrücken, oder fühlt er sich mit jenem Pendant zum Haarband besonders männlich? Und warum benutzt er nicht einfach ein Haargummi? gs

Der Cech.
Fünf Minuten vor dem Anpfiff. Zehn tschechische Spieler stehen vor dem Spiegel, legen sich hier noch ein Löckchen an, streichen da noch eine Strähne zurecht. Nur Petr Cech drängelt: »Wir sind hier im Stadion, nicht im Friseursalon!« Er hat leicht reden. Er setzt seine schwarze Haube auf und ist bereit. Zwar sieht er aus wie ein Darsteller aus einem Science-Fiction-Film der dreißiger Jahre. Doch merke: Wer als einziger ein derartiges Insignium der Beknacktheit trägt, ist schon wieder irgendwie cool. Zudem verbindet die Kopfbedeckung Fashion und Funktion: Cech muss die Schutzhaube tragen, weil er sich im Oktober 2006 während eines Zusammenpralls mit einem Gegenspieler einen Schädelbruch zuzog. mst

Der Bartträger.
Christoph Metzelder ist ein echter Trendsetter. Würde ihm bloß jemand folgen! Ein Vollbart wie der seine empfiehlt sich gerade für Abwehrspieler ab 1,90 Meter. Zwar der Aerodynamik abträglich, signalisiert die konsequente Gesichtsbehaarung: Hier steht ein Mann, ein Bär, ein Fels, ein antikommunistischer, pardon, antiimperialistischer Schutzwall, der die fremden Horden, welche den deutschen Strafraum zu erobern trachten, in die Flucht schlagen wird. Und wenn das dann nicht klappt, verdeckt der Bart, was die Hände nicht verdecken können. Studien haben im Übrigen ergeben, dass Vollbärte ihre Träger sympathischer, gebildeter und attraktiver wirken lassen. Und dass der Ball eckig ist. gs