Die Verhandlungen zwischen Israel und Syrien

Die Hamas wird nervös

Den israelisch-syrischen Gesprächen über Vermittler könnten bald direkte Verhandlungen folgen. Das würde Hamas, Hizbollah und den Iran schwächen.

»Wenn die Leute sich frei zwischen Syrien, Israel, Palästina, Jordanien und Ägypten bewegen können, wird es einen großen Wandel geben«, meint Faysal Mekdad. »Unser Volk wird das Leben genießen, ohne den Albtraum des Märtyrertods ihrer Kinder, wir werden die Lebenbedingungen verbessern und uns der internationalen Gemeinschaft öffnen.« Mekdad ist kein verträumter liberaler Blogger, sondern Vizeaußenminister Syriens. Noch am vorvergangenen Samstag, wenige Tage bevor er der Chicago Tribune von den Vorzügen des Friedens erzählte, hatte er bei einer Pressekonferenz in Jordanien gedroht, Syrien habe »andere Optionen« als Verhandlungen, um den Golan zu »befreien«.
Dass es indirekte israelisch-syrische Verhandlungen über türkische Vermittler gibt, hat Israels Premierminister Ehud Olmert bestätigt. Von direkten Verhandlungen seien beide Staaten »nicht weit entfernt«, sagte Olmert in der vergan­genen Woche. Ein erstes informelles Treffen mit dem sy­rischen Präsidenten Bashar al-Assad, womöglich inklusive eines Handschlags, könnte bereits Mitte Juli am Rande des Gipfels in Paris stattfinden, bei dem der französische Präsident Nicolas Sarkozy seine Mittelmeerunion anpreisen will.

Wird Assad doch noch dem »Modell Ghaddafi« folgen? Der libysche Diktator Muammar al-Ghaddafi hatte Ende 2003 seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen erklärt und die Verbindun­gen zu terroristischen Organisationen gelöst. Die Sanktionen wurden aufgehoben, Ghaddafi stieg zum Partner der EU bei der Abwehr von Flüchtlingen auf und wird nur selten mit Mahnungen wegen Menschenrechtsverletzungen oder mangelnder Demokratie behelligt.
Sollte Assad einen ähnlichen Weg gehen, würde das die strategische Lage in der Region ändern. Der Iran verlöre seinen wichtigsten Verbün­deten, auch Hamas und Hizbollah wären geschwächt. In ihren Reihen ist eine gewisse Nervosität erkennbar. »Es ist Israels Taktik, zu versuchen, Syrien von seinen Verbündeten und der Palästina-Frage zu trennen«, sagte der Hamas-Führer Khaled Meshal. Doch »auf Führungsebene« sei ihm versichert worden, dass »die Entschlossenheit, den Golan zurückzugewinnen nicht auf Kosten der Palästinenser oder syrischer Verbindungen und Kontakte« gehen würde.
»Syrien hat Hamas und Hizbollah daran erinnert, dass wir nicht wie der Iran sind. Der Iran glaubt an die Zerstörung Israels, während Syrien an Verhandlungen mit Israel glaubt«, sagte Mekdad. Die derzeit relativ konziliante Haltung beider islamistischer Organisationen könnte eine Folge syrischen Drucks sein. Eine Vereinbarung über einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hizbollah steht offenbar kurz vor dem Abschluss, auch mit der Hamas, die den israelischen Soldaten Gilat Shalit entführte, wird über einen Austausch verhandelt. Der in der vergangenen Woche vereinbarte Waffenstillstand im Gaza-Streifen hat zunächst gehalten, am Sonntag lockerte Israel die ökonomische Blockade.
Allerdings sind auch andere Motive denkbar. Wenn Israel palästinensische und libanesische Gefangene freilässt, ist das ein Prestigegewinn für die Islamisten. Die Hamas sah sich wohl zu Kompromissen gezwungen, weil angesichts der wirtschaftlichen Misere die Unzufriedenheit der Bevölkerung im Gaza-Streifen wächst. Um ih­re Isolation zu durchbrechen, hat sie auch die Verhandlungen mit der Fatah aufgenommen, deren Regierung sie vor einem Jahr stürzte. Der Waf­fenstillstand wird nun weithin als indirekte Aner­kennung der Hamas durch Israel gewertet.
Möglicherweise sollen Mekdads Äußerungen nur Kompromissbereitschaft simulieren. Doch anders als für die ideologisch motivierten Jihadisten gibt es für die syrischen Ba’athisten nur ein pragmatisches Prinzip: die Macht ihres Regimes zu erhalten und zu mehren.

Wie der Irak unter Saddam Hussein folgt Syrien der Ideologie des arabischen Nationalismus, doch wie sein Vater Hafez hat auch Bashar al-Assad kein Interesse an außenpolitischen Abenteuern. Seit dem Yom-Kippur-Krieg 1973 hat das Regime sorgsam darauf geachtet, militärische Kon­fron­tationen mit Israel nicht eskalieren zu lassen. Wenn die Palästinenser der ba’athistischen Politik im Weg standen, hat das Regime nicht gezögert, sie zu bekämpfen. Als Syrien 1976 in den libanesischen Bürgerkrieg eingriff, unterstützte seine Armee nicht etwa die PLO, sondern die rechten christlichen Warlords.
Es gibt jedoch ein pragmatisches Motiv, das gegen Friedensverhandlungen spricht. Die Konfrontation mit Israel ist die wichtigste Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der syrischen Diktatur. Im bevölkerungsarmen Libyen konnte sich keine organisierte Opposition etablieren, über­dies kann Ghaddafi Wohltaten für seine Untertanen mit den wachsenden Öleinnahmen finanzieren. Hafez al-Assad hingegen konnte in den achtziger Jahren nur mit Mühe einen Aufstand der Muslimbruderschaft militärisch niederschlagen, zweifellos würden die Islamisten es nicht versäumen, den »Verrat« zu geißeln, wenn Assad jr. mit Israel Frieden schlösse. Die mit der Wende zu einer prowestlichen Außenpolitik wahrscheinlich verbundene ökonomische Öffnung wird die soziale Ungleichheit verschärfen. Das werden die Islamisten auszunutzen versuchen, und das in Syrien geförderte Öl reicht nicht einmal für den inländischen Bedarf. Auch die liberale Op­position, deren offene Organisierung das Regime bislang verhindern konnte, dürfte sich ermutigt fühlen und politische Reformen fordern.

Das syrische Regime schirmt sich so gut ab, dass nicht einmal bekannt ist, welche Fraktionen es im Staatsapparat gibt. Am Montag reisten Inspek­toren der Internationalen Atomenergie­agentur nach Syrien. Sie werden untersuchen, ob die vor neun Monaten von der israelischen Luftwaffe bombardierte Anlage in al-Kibar der Plutoniumproduktion diente, wie die US-Regierung behaup­tet. Die Anlage soll ein Kooperationsprojekt mit Nordkorea und dem Iran gewesen sein, doch selbst wenn diese Theorie stimmt, dürfte nichts mehr zu finden sein, wenn Assad gründlich aufräumen ließ. Der Vorfall könnte jedoch ein Anlass gewesen sein, die Beziehungen zum Iran zu überdenken, denn in einen von dessen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad provozierten Krieg will Assad sich wohl nicht hineinziehen lassen.