In Leipzig steht der Hersteller der Marke »Thor Steinar« vor Gericht

Junge Mode in Flecktarn

In Leipzig verhandelt das Landgericht die Räumungsklage gegen eine Filiale der Firma Mediatex. Diese stellt die Bekleidungs­marke »Thor Steinar« her, die bei Rechtsextremen sehr beliebt ist. Uwe Meusel, der Geschäftsführer der Firma, möchte sich in der Öffentlichkeit jedoch als unpolitischen Geschäftsmann darstellen.

Schon vor dem Eingang des Justizgebäudes war klar, dass es keine normale Verhandlung der Zivil­kammer werden würde. »Time to say goodbye«, stand auf einem Transparent des Leipziger Bünd­nisses »Ladenschluss«, die Polizei war in großer Zahl anwesend, und wer ins Gericht wollte, musste eine Sicherheitsschleuse passieren. Der Saal war trotzdem überfüllt, nicht nur wegen der Mitglieder des Bündnisses, sondern auch wegen der zahlreichen Journalisten und Journalistinnen.
Gegenstand der Sitzung war die Klage auf Räumung des Ladenlokals in der besten Lage der Leipziger Innenstadt, das Uwe Meusel, der Geschäftsführer der Textilienfirma Mediatex, im ver­gangenen Jahr von der Immovaria Beteiligungen AG für drei Jahre gemietet hatte. Immovaria hatte den Mietvertrag im Oktober, kurz nach der Eröffnung des Ladens, angefochten, da Meusel die Vermieter über die wahre Natur des Sortiments getäuscht haben soll: Im vorgelegten Ver­kaufskonzept sei nur von »Young Fashion« die Rede gewesen, und weder die Marke »Thor Steinar« noch die mit ihr verbundene Klientel sei erwähnt worden. Noch kurz vor der Eröffnung war ein Schild im Schaufenster zu sehen, das schlicht für Mode in »Übergrößen« warb. Was es wirklich mit »Thor Steinar« auf sich hat, erfuhren die Vermieter recht schnell wegen der großen Proteste. Eine Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen sorgte regelmäßig für einen Ausnahmezustand vor dem Gebäude, mehrfach wurden die Scheiben eingeworfen, der Anwalt von Mediatex berichtete von Anschlägen mit Buttersäure.

In der Gerichtsverhandlung erklärte sich der An­walt Meusels auf die Frage der Richterin, ob doch noch ein Vergleich zwischen den Parteien möglich sei, dazu bereit, den Mietvertrag aufzulösen – gegen eine Entschädigung von 200 000 Euro. Die Vertreter der Immobilienfirma, ein Vorstandsmitglied und eine Rechtsanwältin, baten um eine Pause. Nach einigen Telefonaten vor der Tür gaben sie dann aber an, dass eine gütliche Einigung zurzeit nicht möglich sei.
Zwar will Immovaria den gegenwärtigen Zustand so schnell wie möglich beenden, aber eben nicht zu jedem Preis. Dabei hatten die Vertreter der Firma einen interessanten Vorschlag zur Lösung des Problems unterbreitet: Da die Ursache für die Probleme ja in der unter rechten Jugendlichen so beliebten Marke »Thor Steinar« läge, könne Meusel doch aufhören, die Marke zu vertrei­ben.
Der Vorschlag sorgte für Heiterkeit im Publikum. Denn das Geschäftsmodell und der Erfolg von Uwe Meusels Firma beruht allein auf der Marke »Thor Steinar«: Ein zumindest diffus völkisch-nationalistischer Kundenstamm wird mit Mode versorgt. Die Symbolik auf der Kleidung ist dazu geeignet, auf das Weltbild der Kundschaft zu verweisen, bleibt aber immer auch zweideutig genug, um nicht zum Gegenstand der strafrechtlichen Verfolgung zu werden.
Uwe Meusel hat sich bisher nicht davon distan­ziert, dass die Mehrheit der Käufer seiner Produkte offenbar am rechten Rand zu finden ist. Fir­men wie Lonsdale oder Fred Perry taten das. Sie hatten als Reaktion auf ihre Beliebtheit in der Naziszene klargestellt, nichts mit ihr zu tun haben zu wollen. Sie stellten die Belieferung bekannter Naziläden ein und unterstützten antiras­sistische Kampagnen.
Mediatex scheint hingegen sehr genau darauf zu achten, wie sich andere über die Firma äußern. So wies Meusels Vertreter in Leipzig die Anwältin von Immovaria zurecht, sie solle vorsichtig sein mit der Behauptung, »Thor Steinar« würde vor allem von Rechtsextremisten gekauft. Wohl nicht zuletzt deshalb fallen die Formulierungen in der gerade erschienenen Aufklärungsbroschüre »Investigate Thor Steinar« bemerkenswert vorsichtig aus. Dennoch ergab die detaillierte Untersuchung des Mediatex-Sortiments Folgendes: »Nahezu durch das gesamte Sortiment zieht sich eine ideologische Anlehnung an Nationalsozialismus, Kolonialismus, völkisch-mythologische Begebenheiten sowie Gewaltdarstellungen.« Die Beispiele reichen vom Flecktarn-Muster, das sich an SS- und Wehrmachtsuniformen orientiert, über das vom NPD-Funktionär Jürgen Rieger patentierte, heidnisch-antichristliche Symbol eines Adlers, der einen Fisch in den Klauen hält, bis hin zum Slogan »Ski Heil«.

Das ursprüngliche, auch als SS-Rune lesbare Logo von »Thor Steinar« wurde zwar erst nach der Einleitung eines Verfahrens wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch ein harmloseres Symbol ersetzt. Im Lauf der vergangenen Jahre hat es bei Mediatex jedoch einen Hang zum Unverfänglicheren gegeben, wie die Autorinnen und Autoren der Broschüre schreiben: »Ohne plakative, explizite Verweise auf rechte und völkische Inhalte«, sondern durch die Verwendung mehrdeutiger Be­züge und die Nutzung neuer Stile wende sich »Thor Steinar« auch an andere Käuferkreise.
Gemessen am wirtschaftlichen Erfolg der Firma, die ihren Sitz in Zeesen in Brandenburg hat, ist die Größe der bisherigen Kundschaft aber offenbar ausreichend. Zumindest für Meusel scheint es sich gelohnt zu haben. Stolz führte er in der vergangenen Woche einen Reporter der Märkischen Allgemeinen Zeitung durch den Rohbau seiner Villa im brandenburgischen Königs Wusterhausen, um zu beweisen, dass er nur ein privates Eigenheim, aber kein NPD-Schulungszentrum plane. Das Haus wird freilich über einen eigenen Eingang für das Kindermädchen und ein Wohn­zimmer mit einer Fläche von 80 Quadratmetern verfügen.
Es ist Uwe Meusel bislang dennoch nicht gelun­gen, sich als unpolitischen Geschäftsmann darzustellen, und ebenso wenig wird »Thor Steinar« als harmlose Kleidungsmarke angesehen. Das ist sicherlich das Verdienst der verschiedenen Kam­pagnen, die sich bundesweit gegründet und dafür gesorgt haben, dass etliche Läden wieder schlie­ßen mussten. Das »Ladenschluss«-Bündnis in Leipzig verlasse sich zurzeit jedoch vor allem auf das Landgericht, sagt die Sprecherin Juliane Nagel. Ob die in die Justiz gesetzte Hoffnung berech­tigt ist, entschied sich jedoch nicht am ersten Verhandlungstag. Das Urteil des Landgerichts soll erst am 28. August verkündet werden. In einem ähnlichen Verfahren gegen eine »Thor-Steinar«-Filiale in Magdeburg wird das Oberlandesgericht Naumburg im Oktober über die Berufung verhan­deln. Mehrere andere Geschäfte in Leipzig, die die Marke aus Zeesen im Sortiment hatten, haben mittlerweile geschlossen oder den Verkauf von »Thor Steinar« eingestellt.