»Wiener Blut« (ORF 1)

Helden im Einsatz

Keine Gnade. Sie sind billig, schnell produziert, sehr erfolgreich, trashig und geschmacklos. Doku Soaps wie »Bauer sucht Frau«, »Schnulleralarm« oder »Die Super Nanny« boomen im deutschen Fernsehen. Gestartet sind gerade die Alm-Soap »Gülcan und Collien ziehen aufs Land«, das Beauty-OP-Spektakel »Aus alt mach neu« und die Ehe-Schnulze »Sarah und Marc crazy in love«. Kann man das ertragen?

»Wiener Blut« (ORF 1). Kürzlich startete ein vierteiliges Trash-Format, die Doku-Soap »Wiener Blut – die 3 von 144«, im Österreichischen Fernsehen. 144 ist in Österreich die Telefonnummer des Rettungsdiensts, die drei sind Sanitäter und »Wiener Blut« ist der makabre, aber wenigstens ansprechende Titel. »Helden des Alltags« sollen laut Eigendefinition in »rasanten Schnittfolgen, markantem Sendungsdesign und ungewohnten Perspektiven« bei ihrem Einsatz für den Wiener Rettungsdienst gezeigt werden. Ganz nebenbei zeigt sich Wien von seiner besten Seite, aber ausnahmsweise einmal ohne Mozart, Mausi Lugner und Sachertorte. Erwischen auch Sie sich manch­mal dabei, wie Sie insgeheim Wiens Krankenversorgung bewundern? Sie wären zumindest nicht allein, das macht »die ganze Welt« – glaubt der ORF. »Und was die Zahl der Gewaltverbrechen betrifft, ist Wien eine Insel der Seligen«, säuselt die Moderatorenstimme aus dem Off.
Die drei Sanitäter fahren derweil »typisch wienerisch« ganz entspannt von Einsatz zu Einsatz und reißen nebenbei Schmähs auf Kosten ihrer verletzten Patienten. Auch sonst nehmen sie alles recht locker. Stress, Gewissenhaftigkeit, Ernst beim Retten von Menschen in Not – nein, so läuft das in Wirklichkeit nicht ab, zeigt uns »Wiener Blut«. »Wir lassen pro Tag drei Patienten fallen«, sagt einer der Sanitäter zu seinem Patienten: »Sie sind der sechste heute, die Wahrscheinlichkeit, dass wir Sie fallen lassen, ist also gering.«
Genauso treffsicher wie in Hinblick auf schwarzen Humor ist ORF 1 aber auch in Sachen politischer Unkorrektheit. Und da hätte sich aus Sicht des Senders kein besserer Hauptdarsteller finden lassen können als der »Held des Alltags« Andreas Weiss. Denn wie eine österreichische Wochenzeitung aufdeckte, war er schon einmal im Fernsehen zu sehen. 2003 zeigte der »ORF-Report« ein Amateur-Video, das damals Politik, Medien und Bevölkerung erschütterte. Im grellen Scheinwerferlicht eines Rettungswagens lag ein Mann im Wiener Stadtpark am Boden, wurde von der Polizei geknebelt und rang verzweifelt nach Luft. Der Asylwerber Seibane Wague erstickte kurz darauf an der »Behandlung« der Polizei und in Anwesenheit von Sanitätern und einem Notarzt. Einer der Sanitäter stand sogar mit einem Bein auf dem Opfer: »TV-Sani-Held« Andreas Weiss.
Weiss sagte von sich, er sei kein »Menschenhasser oder Rassist«, er habe Wague »nur helfen« wollen. »Bei einer Person mit weißer Hautfarbe sind die Symptome für Sauerstoffmangel visuell gut wahrnehmbar. Im gegenständlichen Fall handelte es sich jedoch um eine Person mit dunkler Hautfarbe, sprich um einen Schwarz­afrikaner«, sagte Weiss dem Gericht. Er wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Für den ORF ist er also »ein Sanitäter wie jeder andere«.
»Typisch österreichisch« bringt »Wiener Blut« den Müllcharakter von Trash-TV auf den Punkt.