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Es gibt Morgenmuffel und Frühaufsteher. Es gibt frühe Vögel, die den Wurm fangen, und frühe Würmer, die vom Vogel gefressen werden. Für die einen hat Morgenstund Gold im Mund, für die anderen ist Morgenstund aller Laster Anfang.
Es ist durchaus nicht so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Zeitung alle einer Meinung sind, wenn es um die Frage geht, ob man den Morgen subventionieren oder abschaffen sollte. Doch in letzter Zeit häufen sich die praktischen Ratschläge, wie der Arbeitstag in der Jungle World begonnen werden sollte. Die eine will vor dem ersten Mailcheck erstmal Ski auf der Wii Fit fahren, der andere will vor der Frühkonferenz den »Körperzellen-Rock« spielen, bei dem sich alle gegenseitig an diverse Körperteile fassen und dabei den Refrain singen: »Jede Zelle meines Körpers ist glücklich!« Um diese maoistischen Triebe zu unterbinden, jagt ein anderer am Morgen der Schlussproduk­tion die Sommerhits der vergangenen Jahre durch die alten Boxen. »Wie ich meinen Morgen beginne, entscheide ich immer noch selbst«, merkt ein Kollege schließlich an. Aber wie beginnen die Kollegen eigentlich ihren Tag?
Ausgerechnet die stets hellwache Kollegin nutzt den Morgen nach eigenen Angaben nur dazu, um wach zu werden. Dabei verschwendet sie diese wertvolle Stunde, indem sie sich die ganze Zeit fragt, wie lange sie wohl noch im Bett bleiben kann. Hingegen überrascht ein anderer Kollege mit einem rigiden Ablaufplan: »Kaffee trinken, duschen, rauchen!« Bislang nahm man an, der geschätzte Kollege benötige einfach ein bisschen mehr Schlaf, weswegen er immer ein bisschen später als die anderen kommt. Doch ein derartig großes Arbeitspensum braucht natürlich seine Zeit. Erstaunliche Erkenntnisse liefern zwei weitere Kollegen. Ihr Erfolgsrezept ist die »Sportzigarette«. »Ich wache auf. Wenn niemand neben mir liegt, zünde ich mir eine an«, gesteht die Kollegin. »Ob jemand neben mir liegt, ist mir egal. Aber bevor ich eine rauche, esse ich erstmal einen Apfel«, entgegnet der Kollege. Was den einen die Sportzigarette, ist den anderen der Sport. Denn ja, es gibt unter uns Redakteuren solche, die sich tatsächlich so verhalten, wie man es von jungen, kreativen, dynamischen Unternehmern erwartet: sie machen Yoga, gehen ins Schwimmbad oder joggen – vor der Arbeit – und benutzen den Fahrstuhl nur, wenn die Treppe kaputt ist.
Weil der Geschäftsführer aber nichts von Gruppenzwang hält, sich weigert, Sportgeräte oder neue Boxen zu kaufen, wird es wohl dabei bleiben, dass sich jeder alleine mit seiner Kaffee- oder Teetasse vor den Rechner in der Redaktion setzt und den Morgenmuffel oder den frühen Vogel ertragen muss, bis die allgemeine Morgendämmerung sich verzogen hat.