Saudade e tristeza

Jazz als Klischee, das ist der buchstäbliche Jazzkeller und das sind Herren in Anzügen, die beim WDR auftreten und wo bei jedem mehr oder weniger gelungenen Solo so pflichtbewusst geklatscht wird wie nach der überstandenen Symphonie im Konzertsaal. Keiner steht für diesen Jazz als Klischee so sehr wie Till Brönner, inzwischen auch internationaler Star in einer Jazz-Mainstreamwelt, in der einer wie Peter Brötzmann so viel zu suchen hat wie der Film »Analschlampen faustgefickt« in Cannes.
Dieser Till Brönner hat nun eine Bossa-CD aufgenommen, und damit auch wirklich jeder und sein Großvater versteht, um was es geht, heißt sie schlicht: »Rio«. Jazz und Bossa, das hat eine lange Tradition, spätestens seit Stan Getz mit »Girl from Ipanema«. Die Hits der Bossa Nova wurden so oft durchgenudelt, da macht ein Till Brönner auch nichts mehr kaputt. Nicht einmal Annie Lennox und Aimee Mann, die Brönner erstaunlicherweise für sein Projekt hat gewinnen können.
Man muss sogar sagen: Eigentlich geht Brönner dann behutsam beim Plündern der brasilianischen Archive vor. Anstatt durchgenudelter Heuler spielt er Songs der vergessenen Joyce, von Chico Buarque, von Caetano Veloso, und er lässt Milton Nascimento singen und Sérgio Mendes. Stil hat das. Brönner will natürlich viel zu viel mit seiner Platte, aber man kann auch sagen: Nur mit der ganz großen Geste kann man sich ja vor der schönsten Musik der Welt, vor der brasilianischen, gebührend verneigen.

Till Brönner: Rio (Universal)