Das Elend der Tiere auf Mallorca

Rettet Udo!

Nicht schön: Im Urlaubsparadies der Deutschen führt der Tierschutz ein Hundeleben.

Udo »ist ein leidgeprüfter, aber liebenswerter kleiner Hund, der dringend eine Bezugsperson sucht, die ihn verwöhnt.« Mit diesen Worten und mit einem Bild des süßen Kläffers ohne Bezugsperson, setzt sich »SOS-Animal Mallorca« in einer Kleinanzeige in der deutschsprachigen Mallorca Zeitung dafür ein, dass Udo ein neues Zuhause findet. Angesprochen werden damit Deutsche auf Mallorca oder Urlauber. Die überregionalen Tierschutzverbände und lokalen Tierschutzvereine, von denen es fast ein Dutzend auf der Insel gibt, versuchen auch mit Hilfe der Touristen, die Empörung über den Umgang der Mallorquiner mit Tieren zu schüren.
Die deutschen Tierschützer, von denen viele auch von Deutschland aus operieren, sind sich einig: In Sachen Tierschutz müssen die Mallorquiner noch so ziemlich alles von uns Deutschen lernen. Das Mallorca Magazin fragte jüngst in einem Artikel über unappetitliche Rituale mit Tie­ren bei Volksfesten mit einer aus der spanischen Zeitung El País übernommenen Überschrift: »Warum sind wir so unzivilisiert?« Mit »wir« sind natürlich nicht die Deutschen gemeint.
Das Internet ist voll mit Beispielen, wie schlecht die unzivilisierten Mallorquiner ihre Tiere behandeln. Man sieht Bilder von »verendeten Ziegen in Fesseln« und Hunden mit traurigen Blicken, die an zu kurzen Leinen gehalten werden. Man erfährt beispielsweise, »das Töten und Wegwerfen von neugeborenen Katzenbabies ist hier völlig normal« und von einer wahren »Flut herrenloser Hunde und Katzen« auf der Insel. Tierelend, auch die Mallorca Zeitung bestätigt das der Jungle World, sei neben Korruption die drängendste Problematik auf der Insel. Man kommt hierher und plötzlich findet man neben toller Natur, Sonne und Souvenirläden auch halblebendige Tiere im Müll, das ist für viele ein Schock.
Marlies Beuse, Vorsitzende des Tierschutzvereins Capdepera, gibt uns gegenüber an, trotz aller Bemühungen der Tierfreunde, die sich auf der Insel organisiert haben, sei die Lage »katastrophal« und »hoffnungslos«. Tiere würden hier weiterhin eher wie »Dinge behandelt« und nicht wie Lebewesen. Niemand würde seine Katzen und Hunde kastrieren, die viel zu wenigen Tierheime seien überfüllt, Tiere, die keine neuen Besitzer fänden, würden nach abgelaufenen Verwahrfristen einfach »abgespritzt«.
Und Udo und seine Freunde aus der Kategorie der Haustiere sind ja nicht einmal die einzigen, denen es hier so schlecht geht. Stierkämpfe gibt es, Stierläufe – die so genannten »Correbous« – und vereinzelt sogar noch die absolut verbotenen, mafiös organisierten Hahnenkämpfe. Völlig bizarre Bräuche wie das »Entenwerfen«, bei dem Enten von Booten ins Meer geworfen wurden, wo sie von Schwimmern gefangen werden mussten, was bis vor kurzem noch in dem mallorquinischen Touristenort Can Picafort praktiziert wurde, gibt es offiziell dagegen nicht mehr. Was aber nicht heißt, dass Folkloristen nicht immer noch versuchen würden, bei einem festlichen Anlass ein paar Enten eher unsanft ins Wasser zu werfen.
Auch das so genannte Wachtelschießen ist äußerst beliebt. Bei diesem werden lebendige Wachteln aus einer speziellen Vorrichtung geschleudert und dann von Sportschützen abgeschossen. Bevor sie ihren ersten Flügelschlag machen können, fallen sie zerfetzt auf den Boden. Klingt nach einer bescheuerten Freizeitbeschäftigung, aber das Tun von Hobbyjägern wirkt ja eigentlich nie besonders intelligent. »Etwa 60 Wettbewerbe im Jahr« finden in der Disziplin Wachtelschießen auf Mallorca statt, gibt Ripoll Rubí, der Vorsitzende des balearischen Jagdverbandes gegenüber der Mallorca Zeitung an. Wachtelschießen, so etwas praktizieren sie nicht einmal in China, und dort essen sie Hunde.
Gegen Wachtelschießen, so Frau Beuse, könne »man nichts machen.« Ist halt Brauchtum, so wie Entenwerfen oder Stierkämpfe, das sind alles kulturelle Gepflogenheiten, denen man als Deutscher fasziniert, entgeistert oder mit einer Mischung aus beidem gegenübersteht. Den Stierkampf, die gesellschaftliche Stellung des gefeierten Torreros, das öffentliche Schauspiel der Tiertötung, das alles versteht der normale Deutsche so wenig, wie der durchschnittliche Spanier die deutsche Vorliebe versteht, heißes Wasser durch einen Filter mit Pulver tröpfeln zu lassen, bevor man es trinkt.
Auch in Spanien sind Rituale mit wild gewordenen Stieren nicht mehr unumstritten, siehe: »Warum sind wir so unzivilisiert?« Trotzdem bleibt derartiges auch bei aller Kritik von innen und außen »Nationalkultur«, wird es vielleicht gerade sogar deswegen immer mehr. Selbst der spanische König ist ein Freund des Stierkampfes. Auch als Touristenattraktion ist das Spektakel in der Stierkampfarena einfach nicht tot zu kriegen. Will man ja mal gesehen haben, so etwas, gehört mit dazu beim Spanienurlaub wie eine gute Paella.
Wir dagegen haben uns nicht schuldig gemacht, von uns war niemand beim Stierkampf, für uns mussten keine roten Tücher schmutzig gemacht werden. Wir haben hier aber auch keine Paella gegessen.