Interview mit Karl-Heinz Bächstädt über Ökobank und Kapitalismus

»Man kann sich keine eigene Welt basteln«

Einst konstatierte Bertolt Brecht: »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?« Statt Banker zu Verbrechern zu erklären, wurden in den achtziger Jahren Linke zu Bankern und gründeten die Ökobank. Karl-Heinz Bächstädt war von der Gründungsphase bis zum Konkurs 2003 ehrenamtlicher Gruppenvertreter, saß also quasi im Aufsichtsrat der Ökobank.

Was, glaubten Linke, würde eine linke Bank besser machen als eine gewöhnliche Spar­kasse?

Die beiden Kernpunkte waren, dass kein Geld in Rüstung und Atomkraft fließt, weder direkt noch indirekt.

Waren auch Marxisten unter den Förderern der Ökobank?

Es waren alle linken Strömungen dabei. Linke, die innerhalb des Systems einfach nur eine alternative Bank haben wollten, und andere, für die das eine Möglichkeit war, den Kapitalismus anzugreifen.

Wie hat denn die Ökobank den Kapitalismus angegriffen?

Dadurch, dass ein alternatives Projekt durchgezogen wurde. Allein dieses Durchziehen kann man schon als Angriff betrachten. Denn die Ökobank wurde gegen erhebliche Widerstände seitens der Bankenaufsicht und der Genossenschafts­verbände gegründet und betrieben. Doch auch wenn die Ökobank weiter existiert hätte, wäre ihr Einfluss auf die kapitalistische Wirtschaft sehr begrenzt geblieben. Aber in einigen Bereichen war sie beispielsweise mit neuen Managementstrukturen ein Vorreiter in der Bankenbranche. Hier wirkte sie als Pionier, wenn auch eher systemstabilisierend.

Die Ökobank war aber auch ein Pionier für den Marketingbereich des so genannten ethischen Investments, das heute zum guten Ton vieler Banken und Großkonzerne gehört.

Sicher, weil zum ersten Mal eine Bank aufgetreten ist, die moralische und ethische Ansätze höher bewertet hat als Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung.

Zählten dabei auch Finanzderivate zum ökologischen Investment, schließlich fällt dabei ja kein Müll an?

Nein, Finanzderivate gehörten nicht zu den ­Angeboten der Ökobank. Damals spielten De­rivate kaum eine Rolle. Auch heute stellen sie kein ökologisches Investment dar.
Ein großer Streit entzündete sich einige Jahre nach der Gründung der Ökobank an der Frage, ob man den Kunden auch Wertpapiere anbieten sollte. Die Befürworter erwarteten zusätzliche Provisionseinnahmen, die die Bank stabi­lisierenund zusätzliche zinsverbilligte Förderkredite ermöglichen würde. Die Kritiker sahen darin die Gefahr, dass sich die Ökobank zu einer normalen Bank entwickeln könnte und kritisierten ein solches Vorgehen als Reparatur­lösung des Kapitalismus.

War nicht die gesamte Ökobank eine Reparaturlösung für linke Existenzgründer?

Das kann man so sehen, denn am Ende hat man ja immer Beziehungen zum herrschenden System und muss seine Produkte verkaufen. Man kann sich keine eigene Welt basteln, wie das beispielsweise mit solchen Projekten von Tauschgeld und Regionalgeld versucht wird. Denn für den Warenaustausch muss man mit der herrschenden Ökonomie und den Unternehmen in Kontakt stehen. Man kann sich nicht gänzlich aus dem kapitalistischen System herausziehen.
Viele Alternativbetriebe, die von der Ökobank Kredite erhalten haben, auch wenn das teilweise sehr mühsam und zeitraubend war, konnten damit überhaupt erst gegründet und aufgebaut werden. Zu Problemen kam es bei denen, die Kredite zu Normalkonditionen bekommen haben. Die konnten ihre Kredite nicht zurückzahlen, und das hat auch zum Konkurs der Bank geführt.

Analog zur Immobilienblase war also die ­Alternativbetriebsblase Schuld am Konkurs der Ökobank?

Es war gar nicht mal eine Blase. Einzelne Betriebe konnten ihre Kredite nicht zurückzahlen. Und bei einer dünnen Kapitaldecke steht gerade eine kleine Bank schnell vor der Pleite. Die dadurch entstandene Schieflage haben die Verbände und die Bankenaufsicht genutzt, um die Ökobank zu beseitigen. Man hätte sie durchaus retten können, denn so hoch waren die Schulden nicht. Alle anderen deutschen Genossenschaftsbanken und auch die Berliner Grund­kreditbank wurden mit etlichen bereitgestellten Millionen vor dem Konkurs gerettet. Im Fall der Ökobank hatte man die Gelegenheit genutzt, sie endlich platt machen zu können.

Erinnert Sie die derzeitige Kritik am Finanzkapital an damalige Auseinandersetzungen in der Ökobank?

Ja, auch damals wurde engagiert diskutiert, welche Bedeutung der Finanzsektor im Vergleich zur Realwirtschaft einnehmen soll. Ist der Finanzsektor nur für die Kreditversorgung zuständig, oder soll er eine eigenständige Rolle spielen? Das ist auch jetzt ein Hauptthema. Heute wie damals fordern viele, dass sich die Finanz­welt der Realwirtschaft unterordnen muss. Doch wenn die Realwirtschaft nicht mehr so viele Möglichkeiten für Investitionen bietet, wird das Geld an den Finanzmärkten angelegt. Das war auch früher schon so. Geändert hat sich allerdings das Volumen, das an den Finanzmärkten bewegt wird und ein Vielfaches der Realwirtschaft ausmacht.