Serie über Serien: »Queer As Folk«

Total schwul

Serie über Serien. Ist »Queer as folk« eine Lieblingsserie?

In »Queer as folk« werden die Erlebnisse eines Freundeskreises aus sieben Männern und drei Frauen im US-amerikanischen Pittsburgh geschildert. Thematisch arbeitet man sich an den Standards der Gesellschaftskomödie ab: vor allem natürlich an Gefühlsverstrickungen aller Art, sowohl innerhalb der Stammbesetzung als auch bei Nebenfiguren. Es geht aber auch um Krankheit, Karriere, Intrigen, Politik und Tod. Die Autorinnen und Autoren der Serie überschreiten oft und gerne die Grenze zur Soap, so dass über­lebens­große Katastrophen und Schicksalsschläge häufig genauso flott abgehandelt werden, wie sie das Serienpersonal unvermittelt heimsuchen. Es gibt, gemessen am Standard des deutschen Fernsehens, häufig und explizite Sexszenen, ebenso wie gewohnheitsmäßigen Drogengebrauch.
So beschrieben könnte das abendfüllend sein oder auch nicht, zur Lieblingsserie scheint es mangels Originalität jedenfalls nicht zu taugen. Ändert es nun etwas, dass die Männer schwul sind und zwei der Frauen ein lesbisches Paar? Und dass im Restaurant der dritten Frau beinahe ausschließlich schwule Männer verkehren? Dass Heteros hier in Umkehrung der Fernseh-Normalsituation nur als Randfiguren und Abziehbilder vorkommen und bestenfalls als peinliche Spießer, schlimmstenfalls als homophobe Arsch­löcher erscheinen? Je nach Perspektive und eigener Identifikation kann man sich erst mal darüber freuen, dass Schwule bei »Queer as folk« die Norm sind, oder sich darüber ärgern, dass sie hier nach der Übertragung ins Fernseh-Normalformat genau so doof sind wie alle anderen auch. Um die allgegenwärtige Überhöhung schwulen Lebens ins Soapformat zweifelhaft zu finden, muss man nicht mal hetero sein: Tagesabläufe zwischen Shoppen, Fitnessstudio und Arbeitsplätzen, die offenbar nur Sex­eskapa­den und Intrigen Vorschub leisten, Tage, die in endlosen Tanznächten mit Darkroom-Besuch enden, bieten sicherlich auch vielen Schwulen kaum Identifikationsfläche.
Aber dass »Queer as folk« selbstbewusst und fröhlich sämtliche Ansprüche auf »Realitäts­nähe« und Problemlastigkeit (zunächst) zurückweist und (erst mal) das Recht auf Spaß und Lust an der Larger-than-life-Version von schwulem (Szene-)Leben propagiert, bereitet erst den Weg für ein gelungenes Spiel um Selbst- und Fremdbilder von Schwulsein. Denn natürlich wissen auch die Autorinnen und Autoren der Serie, dass die Verhältnisse so nicht sind. Anstatt aber, wie die in der Serie als Selbstreflexion parodierte Show »Gay as blazes«, in vorauseilendem Gehorsam gegenüber eigenen und fremden Ansprüchen nur in die andere Richtung zu übertreiben und durch die Bank monogame, abstinente Schwule mit adoptierter Kleinfamilie zu zeigen, die pünktlich ihre Steuern zahlen und für wohltätige Zwecke spenden, entscheidet man sich hier für den harten Weg und reflektiert das Verhältnis der Figuren zur Soap-Version schwu­len Lebens ständig mit.
Es dauert keine halbe Staffel, bis die Kernmannschaft sich mit genau der Frage herumschlägt, wie man dem Leben Spaß und Exzesse abtrotzen kann, ohne auf Spaß und Exzesse verpflichtet zu sein. Dass es der Serie tatsächlich gelingt, ihre Figuren dabei mit Sorgfalt und Zuneigung zu begleiten und sie weder in die Wohlanständigkeit einzugemeinden noch zu Partyschuppen-Abzieh­bildern zu degradieren; dass sie Party nicht mit Freiheit und Erwachsenwerden nicht mit Vernunft verwechselt, das qualifiziert sie wiederum dann doch zur Lieblings­serie.
Kein Protagonist verkörpert das »Queer-as-folk«-Prinzip dabei so sehr wie Brian Kinney, der Werbefuzzi, dem außer seinem Schwanz und seinem Konto nichts etwas zu bedeuten scheint und der gerade deshalb später in der Serie am meisten für andere da ist, ohne Gerede und ohne Erwartung einer Gegenleistung – nicht weil es sich so gehört, sondern weil er es will.