»Ally McBeal«

Der Feminismus hatte doch Recht

Serie über Serien. Ein enttäuschter Liebhaber von »Ally McBeal«

Jon. Bon. Jovi. Drei schreckliche Worte, die in der richtigen Reihenfolge zusammengeklempnert durchaus Gemeinsamkeiten mit der obligatorischen Nomenklatura des üblichen Serienkillers haben. Als Jon Bon Jovi in der 5. (finalen) Sea­son der David-E.-Kelley-Serie »Ally McBeal« deren Liebhaber gab, brachen die Quoten massiv ein. Bon Jovi hatte die Serie endgültig gekillt. Nicht umsonst wehklagte die Ally-Fangemeinde längst, das Werk habe an Besonderheit verloren. Wurden Ally McBeals Anwalts­pra­xis­er­leb­nis­se zuvor von einem Wust bizar­rer Charaktere geprägt, fokussierte sich die Hand­lung erbärmlicherweise auf Miss McBeals nervtötenden selbst­mitleidigen Umgang mit dem Traumtypen und einer ungewollten Kindsmutterschaft. Alles Dinge, die jeder richtige Junge, der die ersten Staffeln noch mit einer gehörigen Portion Großmütigkeit für die emotional abgewrackte Titelfigur ertrug, nicht länger verknusen konnte. Hatte Produzent und Hauptautor Kelley zunächst eine wunderliche Kauzwelt voller erregender Figuren, Fälle, Krankheiten und Psychosen ­geschaffen, amüsante Plots ersonnen, Gaststars wie geschnitten Brot serviert, taumelte Ally nun durch eine Mutterkreuzwegwelt, die eher an den Neo-Lebensborn des Prenzlauer Berg denn an eine amüsante Anwaltsserie gemahnte.
Immerhin muss man den grässlichen Feministinnen danken, die einmal – ein einziges Mal – Recht hatten, indem sie der Serie vorwarfen, das Ende des ­Feminismus einzuläuten. Wir fernsehsüchtigen Knaben hätten eine solch herrliche These nicht auszusprechen gewagt. Flugs dem widernatürlichen Gedankengut der Emanzipation zugerechnet, hätte man uns am Stammtisch geschnitten und einer Verweichlichung bezichtigt, obschon unser übermäßiger Fernsehkonsum doch nur einer Devise folgt: Entziehe dich den unverständlichen Thesen der Frauenwelt. Fernsehbild dir deine Meinung.
Konnten wir uns anhand der ersten vier »Ally-McBeal«-Staffeln sicher sein, dass selbst komplett überspannte Männer einer weiblichen Anwältin überlegen sind, mussten wir erschrocken feststellen, dass Miss McBeal trotz ihrer emotionalen Verwirrungen von der Allgemeinheit als »starke Frau, die ihren Weg geht«, betrachtet wurde. War diese Ansicht damals noch nicht von einer alles überstrahlenden Veronikaferresierung durchseucht, so stieß sie jedem wertkonservativen Herrn harsch auf.
Noch einmal in Zahlen: Ally McBeal ist schwach, Leute! Sie hat Halluzinationen (ein wichtiges Erzählelement der Serie bestand stets in Phantasiesequenzen, in denen Ally obskursten Fährnissen ausgesetzt war)! Wie bei jenen Frauen, die sich von heute auf morgen einen Doppelnamen zu­legen – eine endgültige Manifestation offenen Umganges mit der unrückführbaren Schizophrenie –, werden sämtliche fixen Ideen der Charakterausbildung zugerechnet. Seltsamerweise stets einer positiven solchen. Verflucht! Ally McBeal war eine Jungensserie, die sich um die Erlebnisse einer Semiverwirrten in der Männerwelt drehte. Wie schön war es, ihre Verfehlungen zu verfolgen!
Der Einschnitt kam, als sie die Stirn hatte, sich einem Kerl zuzuwenden, der sämtlichen Jungsprototypen widerspricht. Drei grässliche Worte: Jon Bon Jovi. Rockstar, aber Weichei, Klempner und Frauenversteher, mähnengezähmter Antiherakles, ich verabscheue dich! Entschuldigung … aber das ist zu viel. David E. Kelley, dieser brillante Autor (»Chicago Hope«, »The Practice«, »Boston Legal« etc.), stellt der lieb­lichen Ally eine Kunstfigur gewordene Kunst­figur zur Seite, die allein weiblichen Fans gefallen will. Wo bleiben wir richtigen Jungens? Wir, die wir ob unseres Allymcbealkonsums jene Gewissheit entwickelten, dem Käfer über­legen, also auch ein Partner zu sein? Doch schlimmer noch als dieser hef­tige Schlag ins Kontor wiegt die grausame Einsicht, als enttäuschter Ex-Freund (sic!) der Serie die eigene Kritik ausgerechnet mit jener ­Klientel teilen zu müssen, die seit Unzeiten die Krone der Schöpfung – das Männchen – von seinem Sockel zu stoßen giert: den Feministinnen …