Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen

Ab in den Ausschuss

Mehr als 50 000 Menschen haben die Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen unterzeichnet. Das Thema erhält nun wieder größere Aufmerksamkeit: Der Petitionsausschuss des Bundestags muss sich mit ihm befassen.

Susanne Wiest lebt seit einigen Jahren in einem kleinen Haus in Greifswald. Seit 1998 arbeitet sie als Tagesmutter. Wegen neuer Steuerbestimmungen und der Pflicht zur eigenständigen ­Sozialversicherung hat sie seit Januar monatlich 200 Euro weniger Einkommen. Damit ist ihr ­Lebensunterhalt nicht mehr gesichert. Ihre Klagen blieben im Wahlkreisbüro des mecklen­burgischen Ministerpräsidenten ungehört. Dort verwies man sie allerdings auf den Petitionsausschuss des Bundestags.
Eigentlich wollte sie sich dort für eine Verbesserung der Situation der Tagesmütter einsetzen. Das erschien ihr jedoch bald nicht mehr ausreichend zu sein. »Da muss der große Wurf her«, war ihre Schlussfolgerung. Diesen sah sie in der Forderung, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen.
Susanne Wiest ist weder politisch organisiert, noch hatte sie sich bisher in politischen Bewegungen oder Kampagnen engagiert. Aber in ihrer Lage fiel es ihr nicht schwer, eine Begründung für ihre Petition zu finden: Das Grundeinkommen solle eingeführt werden, um »allen Bürgern ein würdevolles Leben zu gewährleisten«. 1 500 Euro für jeden Erwachsenen und 1 000 Euro für jedes Kind sollen dieses Leben garantieren. Alle bisherigen Transferleistungen, Subventionen und Steuern sollen zugunsten einer einzigen hohen Konsumsteuer entfallen. Davon verspricht sich Susanne Wiest ein einfacheres Steuer- und Finanzsystem und den Abbau von Bürokratie.

Die Initiative der Frau wurde auch ohne die Unterstützung einer großen politischen Organisation zu einem Erfolg. Bis zum Eingabeschluss am 17. Februar unterzeichneten tatsächlich 52 975 Menschen die Petition. Somit wurde die erforderliche Anzahl erreicht: Der Petitionsausschuss muss sich mit der Angelegenheit befassen und die Petentin anhören. Susanne Wiests Eingabe wurde Ende 2008 im Internet veröffentlicht, unzählige Internetforen und Blogs machten sie dann bekannt. Aus den anfänglich nur wenigen Unterzeichnern wurden schnell Tausende. Zeitweilig war der Andrang so groß, dass der Server des Bundestags zusammenbrach. Die Frist zur Unterzeichnung musste wegen des technischen Problems sogar eigens um eine Woche verlängert werden.
Bemerkenswert ist die Zurückhaltung derjenigen Organisationen, die sich üblicherweise für das bedingungslose Grundeinkommen einsetzen. Nur der Unternehmer Götz Werner, Gründer der Drogeriekette DM, rief zur Unterstützung der Petition auf. Das lag sicherlich auch an der vorgeschlagenen Finanzierung durch die Mehrwertsteuer, die sich an dem von Werner befürworteten, umstrittenen Modell orientiert.
Genau wegen dieser Festlegung auf ein Finanzierungsmodell tat sich das »Netzwerk Grundeinkommen« zunächst mit der Initiative von Susanne Wiest sehr schwer und veröffentlichte auf seiner Internetseite lediglich einen kurzen Hinweis. Einzelne Mitglieder des Netzwerks sprachen sich sogar ausdrücklich gegen die Petition aus. Erst als der politische Erfolg offensichtlich wurde, änderte sich diese distanzierte Betrachtungsweise, einige Mitglieder des Netzwerkrats unterzeichneten die Petition.
Die AG »Genug für alle« von Attac lehnt die Petition jedoch grundsätzlich ab. Neben der Kritik an der Art der Finanzierung, die niedrige Einkommen in höherem Maße belastet, spielen auch die mangelnden politischen Erfolgsaussichten des Vorhabens eine Rolle: »Es ist zu erwarten, dass der Petitionsausschuss des Bundestags die Peti­tion abweisen wird. Wir halten es nicht für sinnvoll, Abstimmungen zu erzwingen, wenn man weiß, dass man sie verlieren wird. Besser ist es, so lange für eine Idee zu werben, bis sie mehrheitsfähig ist.«

Selbstverständlich ist nicht damit zu rechnen, dass der Bundestag ein Grundeinkommen einführt, das den Namen verdient. Trotzdem über­sehen die Attac-Spezialisten etwas: Wegen der ­Initiative von Susanne Wiest gelangt das Thema genau zum richtigen Zeitpunkt wieder in die ­öffentliche Debatte, in der angesichts der Bewältigung der gegenwärtigen Krise nur von milliardenschweren Konjunkturprogrammen die Rede ist. Vorher war die Diskussion um das Grundeinkommen dabei, zu einem Expertenstreit über hochkomplexe Finanzierungsmodelle zu verkommen. Die zahlreichen Kongresse und Publikationen zum Thema blieben in der Regel auf ein Fachpublikum beschränkt.
Gerade weil Susanne Wiests Forderung in der Höhe so unbescheiden und in ihrem Bezug auf ein menschenwürdiges Leben so einfach formuliert ist, ist es ihr gelungen, neue, eher unpoli­tische Kreise auf das bedingungslose Grundeinkommen aufmerksam zu machen. Und nur so, wenn sich eine gesellschaftliche Dynamik entwickelt, kann eine Forderung überhaupt mehrheitsfähig werden. Bis dahin dürfte aber immer noch genügend Zeit für den notwendigen Streit um das richtige Modell bleiben.