Sticky Place

Netzwerke als Rezept gegen die Krise haben ja gerade wieder Konjunktur. Wo all die Projektwurschtler arbeiten und wie das die Stadt verändert, dazu gibt es eine materialreiche Studie von Janet Merkel. Der Titel »Kreativquartiere« klingt bohememäßig, der Untertitel »Urbane Milieus zwischen Inspiration und Prekarität« erdet die Sache schon eher. Schwerpunkt der Untersuchung ist Berlin und hier insbesondere die zur Castingmeile aufgestiegene Kastanienallee, wo sich die Kreativwirtschaft mit ihrer verschränkten Lebens- und Arbeitswelt zusammenballt und die symbolische Kodierung den Ort als sticky place der kreativen Produktion markiert. Allerdings fällt die wachsende Anzahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse in allen Statistiken unter den Tisch, auch der Berliner Kulturwirtschaftsbericht, auf den sich die Studie u.a. stützt, hat die oft am Existenzminimum herumlavierenden Freiberufler nicht im Blick. »Auch aufgrund der mangelnden Einbindung in Vertretungsgremien wie berufsspezifische Verbände lassen sich nur Vermutungen über die tatsächliche Lebens- und Arbeitssituation von Freiberuflern und Solo-Selbständigen anstellen«, schreibt Janet Merkel. Entsprechend individualisiert wird von den Kreativischaftlern die eigene Erwerbssituation wahrgenommen, und kaum werde die eigene ökonomische Lage mit der der Stadt in Verbindung gesetzt. Auch typisch: Bestehende Unterstützungsprogramme sind den Einzelkämpfern oft nicht mal bekannt.

Janet Merkel: Kreativ­quartiere. Edition Sigma, Berlin 2009, 182 Seiten, 16,90 Euro